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§. 5. Die Feier eines solchen Ehe-Festes stellt nun das Bild uns dar, dessen Umschrift Navigium Fortunae eines Theils zeigt, daß wir hier eine wirkliche mythologische, aus der Götterlehre entlehnte Darstellung haben, andern Theils uns in Verlegenheit setzt, weil unser Töpfer diese Schiffsgöttin nicht, wie Tacitus, mit der Isis, oder, wie die Edda, mit der Frigg oder der Erdgöttin Jörd in Verbindung bringt, sondern uns die Fortuna vorführt, die, obwohl vielfach verehrt, doch keine eigentliche Fabel hat, so daß wir nicht recht wissen, was wir eigentlich aus ihr machen sollen.

§. 5. Nun ließe sich zwar sagen, unser Töpfer habe, da er für die deutsche Schiffsgöttin — denn die Erdgöttin hatte sich im Lauf der Jahre erst, wenn wir nicht irren, ein Floß, dann ein ganzes Schiff gebaut 1) — einen lateinischen Namen suchte, crassa Minerva, die Fortuna genommen, und zwar wegen des Ruders, mit dem sie in der Regel abgebildet wird; es scheint aber dennoch ein tiefer liegendes Verhältniß obgewaltet zu haben, nach welchem in der Fortuna eine magna mater, eine Erdgöttin, zu suchen sein dürfte, die dann mit der germanischen Erdseglerin auch wirklich zusammenfallen würde. Weil dies aber eine uralte, schon zu Homers und Hesiods Zeiten in Griechenland gänzlich vergessene Sache war, so kann uns nur die Etymologie einiges Licht darüber geben; und da zeigt sich denn, daß die Endung una (die ja in Fors auch ganz fehlt) nur als Geschlechtsbezeichnung, das vorgesetzte F (wenn auch ursprünglich ein Titel, wovon avus und avia herstammen) als eine zufällige stärkere Adspiration zu betrachten sein dürfte, die Stammsylbe ort also unserm deutschen Ort, Urda, Erde genau entspricht; und daß das griechische Tύχη das Femininum von Tygr oder Tyr auf den ´´Aρης und mit vorgesetztem M (d. h. Amma, Vater ), oder M und av auf Mars und Mavors hinweist, der seiner Stammsylbe Art nach gleichfalls kein anderer als der Erdgott ist, oder ursprünglich gewesen sein kann.

K. Ch. v. Leutsch.        

An diese Eröffnung schloß sich im Frühjahr 1856 folgender Nachtrag :

II.

Es ist die in Deutschland bis in die neueste Zeit gebräuchliche, nicht gerade reizend zu nennende Stellung der Glücksgöttin, zwar nicht die römische oder griechische, aber doch auch, wie

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1) Umgekehrt läßt Homer seinen Odysseus zuerst auf dem Schiff fahren, dann ein Floß bauen und zuletzt schwimmen.

 

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