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IX

Lamboy konnte deshalb nur daran denken, durch Ausdauer und Beharrlichkeit zum Ziel zu gelangen, d. h. die Festung durch Erschöpfung und Hunger zur Uebergabe zu zwingen. In der That wuchs die in Hanau herrschende Noth von Tag zu Tag, namentlich unter dem armen heimathlosen Landvolk, das sich in die Stadt gerettet hatte. Pferde-, Esel- und Hundefleisch erhielt seinen Platz unter den zu Markt gebrachten Esswaaren ; „Katzen estimiret man vor Wildbret", fügt die von Herrn Pfarrer Junghans entdeckte und veröffentlichte Oberkalbacher Handschrift hinzu; Ratten und Mäuse wurden gleichfalls nicht verschmäht, und mancher arme Teufel liess sich durch das Bellen seines leeren Magens sogar verführen, dem „Meister" „gedörrtes Schindfleisch" abzuhandeln und zu verspeisen. Die fremden Flüchtlinge fristeten ihr Leben zuletzt fast nur noch mit Kleie, Kräutern und Wurzeln, theils roh, theils in Wasser ohne Salz und Fett gekocht. Den ausfallenden Truppen folgten sie auf dem Fusse, um womöglich ein in früheren Scharmützeln erschossenes Pferd zu erbeuten, wobei nicht selten mancher dieser Elenden selbst von einer Kugel ereilt wurde. Viele schlichen auch Nachts durch die kaiserlichen Linien, um in der Umgegend nach Lebensmitteln zu suchen; die hierbei Ertappten wurden von dem erbarmungslosen Feinde entweder ohne weiteres aufgehängt oder mit einem in die Stirn gebrannten Galgen nach Hanau zurückgejagt.

Während die Pest schon 1635 nahezu erloschen war, rief die Ueberfüllung der Stadt und der unvermeidliche Genuss ekelhafter und widernatürlicher Speisen andere mörderische Seuchen hervor, sodass die Sterblichkeit nach wie vor sehr gross blieb.

Die Verhältnisse der Besatzung liessen gleichfalls viel zu wünschen übrig. Im blauen Regiment Burgsdorf kamen bereits einzelne Fälle von Unbotmässigkeit und Meuterei vor, sodass auch Ramsay mehrmals von dem Radikalmittel des Galgens Gebrauch machen musste ; nur seine eigne Compagnie Schotten bewahrte bis zum letzten Augenblick ihre unbedingte Zuverlässigkeit und Treue. Dabei war die Garnison (ohne Bürgermiliz und Landausschuss) allmählich auf rund 500 Mann,

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