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LVII

habten Sitzung die vorjährige Vertheilung der Aemter unverändert zu lassen. Der Archivar Herr Dr. Suchier hielt sodann den angekündigten Vortrag über Hanauer Culturzustände im 15. Jahrhundert.

Der Herr Vortragende schilderte zunächst den Anblick, welcher sich einem, die Stadt von Süd durch das gewölbte Kinzthor betretenden Wanderer darbot: gleich links am Eingang das Spital, die jetzige „Sonne", welche noch die Jahreszahl 1509 und das Wappen des Junkers Johann Reiprecht, eines späteren Besitzers, trägt ; geradeaus der Marktplatz, grösser als heut, mit dem Rath- oder Spielhaus, dem jetzigen Gerlach'schen Haus mit der Jahreszahl 1484; dahinter die gräfliche Burg, welche durch einen, mit hölzerner Brücke versehenen Graben von der Stadt getrennt war, und hinter dem heutigen, erst nach 1600 erbauten Schlosse lag; sie hatte eine, schon 1457 urkundlich erwähnte Vorburg, die sich bis in die Gegend der 1658 errichteten Johanneskirche erstreckte und von den adeligen Burgmannen und Beamten der Grafen bewohnt war; zur rechten Hand die Marienkirche, umgeben von dem zweifellos ältesten Stadttheil mit seinen engen Gassen, deren Gebäude vielfach noch heut die charakteristische Bauart jener Tage zeigen. Die Kirche wurde erst 1560 in westlicher Richtung zu ihrer jetzigen Grosse erweitert ; sie birgt die wichtigsten geschichtlichen Denkmäler, welche Hanau überhaupt besitzt: die mit 1451 beginnenden Grabsteine des gräflichen Geschlechts; ferner ein höchst interessantes Steinbild von 1477, die Gräfin Adriane von Nassau darstellend, und endlich drei von Chorstühlen herrührende Holzbilder, welche den Grafen Philipp den Jüngeren (1452—1500), den Gemahl der oben genannten Adriane, dessen Nachfolger Reinhard IV. (†1512) und seine Gemahlin Katharina von Schwarzburg in knieender Stellung zeigen. — Die Regierung der Grafschaft war eine rein patriarchalische: Gesetze gab es nicht, nur Verordnungen, die von der gräflichen Kanzlei als oberster Verwaltungsbehörde erlassen wurden. Dagegen scheinen sich die Grafen niemals Eingriffe in die Rechtsprechung erlaubt zu haben, welche den von ihnen ernannten Schultheissen und den aus der Bürgerschaft hervorgegangenen Schöffen überlassen blieb;

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