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CXXI

Er war eifriger Lutheraner, aber gegen Andersdenkende keineswegs intolerant. Mehr trat der Gegensatz zu Leuten von abweichender Ansicht bei ihm auf politischem Gebiete hervor. Während er sich über die Aufrichtung des neuen deutschen Reiches von Herzen freute, zu allen Zeiten seiner Bewunderung vor der gewaltigen staatsmännischen Kraft Bismarcks Ausdruck verlieh und jedes Jahr der Universitätsbibliothek zu Strassburg als Zeichen seiner Freude über den Wiedergewinn von Elsass-Lothringen literarische Geschenke machte, konnte er den Verlust der Selbstständigkeit Kurhessens nicht verschmerzen und trug Groll gegen die hessischen Politiker, denen er die Schuld an der Annexion beimessen zu müssen glaubte. Wieweit er darin Recht hatte oder irrte, bleibe hier unerörtert. Uebrigens verhinderte schon seine Harthörigkeit eine Betheiligung an politischen Versammlungen; aber auch publicistisch hat er niemals in den Parteikämpfen seines engeren Heimathlandes mitgestritten. Es war begreiflich, dass er sich in seinem hohen Alter in manches nicht mehr finden konnte, was die Neuzeit an Aenderungen brachte. Im Urtheil nicht selten scharf und hart, originell und geistreich in der mündlichen Ausdrucksweise, wo er mit schlagender Kürze die Schwäche des Gegners zu characterisiren wusste, barg er unter einer oft rauhen Aussenseite ein tiefes, treues Gemüth, das den Regungen der Freundschaft und allen humanen Bestrebungen sehr zugänglich war. Rührend war seine Freude an der Natur; zu seinen letzten Wünschen, die nicht mehr in Erfüllung gehen sollten, gehörte das Verlangen, noch einmal die Blüthenpracht des Mai sehen zu können.

Was Schubart für die Erforschung des griechischen Alterthums leistete, bleibt unvergessen in den Annalen der Wissenschaft. Noch sah das Auge des Greises mit Stolz, wie unser Deutschland den übrigen Nationen voranschritt auch in der Bereicherung der Kenntnisse von den geweihten Stätten des althellenischen Bodens. Wie oft gedachte er der Zeit, wo ihm das Glück beschieden war, an der Seite gleichgesinnter und gleichgebildeter Freunde in Italien und Sicilien die Wunder der classischen Welt auf seinen Geist wirken zu lassen!

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