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LXXXVI

nicht nur für unsere engeren Forschungen, sondern vielmehr auch für die Feststellung des Verlaufs der bisher noch in ein fast undurchdringliches Dunkel gehüllten römischen Occupation in unserer Gegend. Die Richtigkeit der von Herrn Dr. Wolff bereits früher aufgestellten Hypothese, dass die römische Grenze vor der Anlage des Grenzwalles von Miltenberg den Main entlang an die Furt von Kesselstadt und von hier nach Friedberg geführt habe, ist nunmehr bewiesen, und auch alle übrigen Funde in und bei Kesselstadt — im besondern die Mainbrücke, die Villen auf dem Salisberg, die Gebäude auf dem linken Mainufer gegenüber Kesselstadt, die benachbarten Todtenhöfe und Strassenzüge — sind in einen bestimmten Rahmen gefügt und haben eine unanfechtbare Erklärung gefunden. Besonders auffallig aber ist. die abnorme Grosse des Gastells, und gerade dieser Umstand ist von besonderer Wichtigkeit. Da wir auf dem rechtsrheinischen Ufer kein Castell kennen, welches auch nur annähernd die Grosse von Kesselstadt hat (der Flächeninhalt des grössten Limescastells Niederbieber beträgt etwa 1/3 des Flächeninhalts von Kesselstadt), so ist die Annahme des Herrn Dr. Wolff unbedingt richtig, dass die Erbauung des Castells in die allorfrüheste Zeit der Occupation fällt, und zwar in eine Zeit, zu welcher an geschlossene Vertheidigungslinien noch nicht zu denken war, sondern man sich damit benüigte, unter möglichster Ausnutzung des Terrains nur die strategisch wichtigsten Punkte — zu denen, wie wir sehen werden, damals auch Kesselstadt gehörte — mit einer starken Besatzung zu versehen. Diese Thatsache lässt sich nun aber in die Geschichte der damaligen Zeit einreihen. Es ist bekannt, dass die Römer vom Jahre 12 v. Chr. ab den Versuch machten, gestützt auf eine Reihe grösserer Castelle am linken Rheinufer und vorzugsweise ausgehend von dem für 2 Legionen eingerichteten Castell (Vetera castra) bei Xanten, Germanien von Norden her zu Lande und zu Wasser zu umfassen. Nach der Niederlage des Varus im Teutoburger Walde (9 n. Chr.) und den verunglückten Seefahrten des Germanicus in der Nordsee (15 und 16 n. Chr.) war indess dieser Angriffsplan als gescheitert anzusehen und man machte sich allmälich mit dem

 

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