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nämlich Dissen, das seinen Namen von dys, dem Grabhügel, erhalten. In den Urkunden des Mittelalters wird das Dorf „Unselgentusen" von dem ändern, in dem eine Kirche gebaut worden, als die Gräberstätte der Unseligen, d. h. der Heiden, unterschieden. Ausserdem wies der Vortragende auf die drei bis jetzt entdeckten Rosengärten in Oberhessen, als solche Volksbegräbnisstätten, sowie auf ein erst im vorigen Jahre erschlossenes Todtenfeld in Kernbach, den „Totengarten" hin, wo die Skelette übereinander, nur mit Steinverpackung der Schädel, gebettet liegen. Hieran schloss sich alsdann die Mittheilung von der Auffindung zweier benamten Hünengräber an, bei denen sich die Namen der daselbst Bestatteten bis heute erhalten haben, ein Vorkommniss, das in Deutschland höchst selten und darum von grossem Interesse ist, da Namen alter Stammes- und Siegeshelden unseres Volkes fast gar nicht auf uns gekommen, sondern mit den alten, von Tacitus erwähnten, Liedern sämmtlich verschollen sind. Das eine dieser Gräber befindet sich in der Nähe der altheidnischen Opfer- und Gerichtsstätte Bannebach in Oberhessen und heisst ganz allgemein Lüppertsgrab, ein Name, der im Althochdeutschen Liutperaht lautete und den vor dem Volk (liut) Hervorleuchtenden, den strahlenden Volkshelden bezeichnete. Dass dieser alte Chatte seinen Namen mit Recht geführt und eine höchst angesehene Persönlichkeit gewesen sein muss, wies der Vortragende durch den Nachweis einer altgermanischen Volkssitte nach, die sich an dieses Grab knüpfte und bis in unser Jahrhundert erhalten hatte. Wer nämlich von den Bewohnern der benachbarten Orte im Frühling zuerst an Lüppertsgrab vorüber kam, pflegte alsdann stets einen grünen Zweig darauf zu stecken. Dieser auch sonst, durch Geschichte und Sage bezeugte altgermanische Volksgebrauch ward durch den Gebrauch des Maibaumes als Symbol des Lebensbaumes erläutert, der für gewöhnlich den Lebenden, hier aber auch den Todten, nach altheidnischer Sitte gepflanzt und später auch seitens der Christen acceptiert wurde. — Als zweites benamtes Hünengrab in Hessen wird alsdann der „Warmschleh“ bei Raden, Pfarrei Hattendorf, angeführt. Dort befindet sich ein dem

 

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