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LVII

wenn wir mit unseren Amtsbrüdern zusammen kommen, lieber eine brüderliche Aussprache darüber, wie der Zeit, die aus vielen und schweren Wunden blutet, so viel an uns ist, abgeholfen werden könnte. Die Alten dachten an etwas derartiges offenbar nicht. Sie glaubten, in ihrem System an und für sich ein für allemal den Zauberstab zu haben, mit welchem sie alle Schätze gottseliger Erkenntniss und Tugend heben und alle bösen Geister bannen würden. Darüber wurde ihre Dogmatik zum todten Formelkram, so berührte sich ihre theologische Weisheit mit den Bedürfnissen der Gemeinde je länger je weniger. Die letztere hörte nicht mehr auf die Stimme ihrer Hirten. Am Ende wurde die Geistlichkeit selbst ihrer unfruchtbaren Scholastik überdrüssig, es rückte die Theologie des gesunden Menschenverstandes an ihre Stelle, um den Greuel der Verwüstung zu vollenden. Auf den gemüthvollen Orthodoxen Grimm folgte der öde Rationalist Jonas Bauscher, der seine 23jährige Wirksamkeit als geistlicher Todtengräber Steinaus damit würdig beschloss, dass er sich am 6. April 1800 Abends um 5 Uhr ohne Sang und Klang, ohne Wort Gottes und Gebet in der Stille begraben liess. Man hat sein Leichenbegängniss ganz gewiss, wenn auch nicht mit seiner ausdrücklichen Bewilligung, doch derselben sicher, in seinem Sinne, so wie es geschah, angestellt. Man hielt eine derartige Bestattung ohne Zweifel für besonders würdevoll, für nobel. Hohe Herrschaften liebten es, sich im Dunkel der Nacht beisetzen zu lassen, in der Stille, ohne Sang und Klang, — bei düsterem Fackelschein zur Auszeichnung.

Heutzutage schäumt der letzte Proletarier in Steinau vor Zorn, wenn ihm oder den Seinigen ev. die Bestattungsweise des Pfarrers Jonas Bauscher in Aussicht gestellt wird, und sollte er auch sein Lebenlang die Kirche geärgert und seinen Christenstand in der schnödesten Weise mit Füssen getreten haben.

Gottlob, wir leben wiederum  in besseren Zeiten!

Monatsversammlung am 18. December. Vortrag des Herrn Akademielehrers Zimmermann: »Ueber die

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