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Partei anheim fiel, arbeitete Maria, die rasch der Liebling ihrer neuen Umgebung geworden war, unermüdlich an ihrer geistigen und sittlichen Fortbildung. Die innere Trennung der Gatten war bereits eine Thatsache geworden, als der Übertritt des Prinzen zur katholischen Religion an die Öffentlichkeit kam und seinen Vater, den Landgrafen Wilhelm VIII., zum Erlass der sogenannten Assecurationsacte bestimmte, als deren naturgemässe Ergänzung eine Trennung der Ehe Marias und Friedrichs nach fünfzehnjährigem Bestehen 1755 vollzogen wurde.

In der Beurtheilung der Assecurationsacte wird man sich wohl dem Urteile Friedrichs des Grossen anschliessen, der manche ihrer Bestimmungen als allzuhart und über das Ziel hinausgehend bezeichnet hat. Denn dem Prinzen wurden einerseits alle seine Fürstenrechte eingeschränkt, andererseits seine Rechte als Gatte und Vater gänzlich genommen, und er somit zu einer unglückseligen Scheinexistenz verurteilt, unter der er sein Leben lang schwer und bedauernswert gelitten hat. Er war und blieb ein Spielball der Parteien, die stets ohne Rücksicht auf seine Person und nur nach ausschliesslich politischen Interessen verfuhren. Auch der Eintritt in die preussische Armee, auf den der Prinz die grössten Hoffnungen gesetzt hatte, änderte nichts an seiner traurigen Lage, denn Friedrich der Grosse konnte es begreiflicherweise nicht verantworten, dem Prinzen eine hervorragende Stellung in seinem Heere anzuvertrauen; auch hier musste er sich mit Äusserlichkeiten abfinden lassen, ausgeschlossen von jeder wirklichen und befriedigenden Thätigkeit.

Das Verhältniss der beiden Gatten, zwischen denen keine völlige Scheidung, sondern nur eine Trennung von Tisch und Bett ausgesprochen war, nahm den Charakter offener Feindschaft an, sobald der Prinz als Landgraf Friedrich II. die Regierung angetreten hatte. Bei seinen fortgesetzten Bemühungen, die Assecurationsacte umzustossen, setzte er auf Anrathen seiner katholischen sogenannten Freunde den Hebel bei denjenigen Bestimmungen ein, die ihn seiner väterlichen Rechte beraubten und Maria nebst ihren drei Söhnen völlige Unabhängigkeit sicherten. Alle seine Bemühungen in dieser Richtung blieben dank des energischen Einstehens der die Assecurationsacte verbürgenden Mächte erfolglos. Nur die Kluft, die ihn von seiner Gattin und besonders von seinen Söhnen trennte, erweiterte sich dadurch von Jahr zu Jahr. Maria ihrerseits aber glaubte sich nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, diese Kluft unausfüllbar zu machen, damit jede Beeinflussung des Charakters und der Gesinnung des künftigen Herrschers von Hessen-Kassel ausgeschlossen bleibe.

Hatte die hohe Frau, die an jeden andern dieselben strengen sittlichen Forderungen stellte, wie an sich selbst, in Anbetracht des Lebenswandels des Landgrafen in ihrem Bestreben vollkommen Recht, so kann man andererseits auch nicht dem Landgrafen das Mitleid versagen, das einem Manne gebührt, der einen thörichten Fehltritt lebenslang büssen musste, und dessen verhängnissvolle Willensschwäche in Ursprung und Wachstum so begreiflich vor Augen liegt.

 

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