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und preussischen Gesandtenberichten sowie aus Familienaufzeichnungen und Memoiren ein farbenreiches und bis ins Kleinste ausgeführtes Bild der äusseren Geschichte des Königreichs, vor allem des unköniglichen Carnevals Jérômes, des „roi Morgen wieder lustik“, und seines sybaritischen Hoflagers in Cassel und Napoleonshöhe zu geben vermocht, aber dafür grade boten die bisherigen guten Quellen Stoff in Hülle und Fülle dar.

Die acht Kapitelüberschriften von Seite 84—168 über die Finanzen, Heerwesen, Polizei, Administration, Justiz und Kirche, für Wohlthätigkeits- und Unterrichtswesen täuschen bei näherem Zusehen nicht über die Dürftigkeit und Oberflächlichkeit des in ihnen behandelten Stoffes hinweg und der Preis des Buches (der Bogen kostet über 35 Pfg.) erscheint uns viel zu hoch.

Aus einer vor mir liegenden Liste von einigen 30 starken Unrichtigkeiten hebe ich zur Probe nur Folgendes heraus:

Der Leibarzt des Königs hiess nach Almanach royal 1813 S. 71 Garnier de St. Romain. (Das falsche Rourain S. 57 u. ö. stammt schon aus Kleinschmidts Aufsatz in der Zeitschrift d. Ver. f. hess. Gesch. Bd. 16 S. 260.) Köstlich ist, dass der Landrabbiner Löb Meyer Berlin S. 156 zu einem Berliner Juden Löb Meyer gemacht wird; Seite 171 Z. 28 muss es heissen „Nichte“ Murats, S. 199 (677) „von Webern“, S. 234 Z. 3 „Elberberg“, wo auch die hessischen Offiziere a. D. lustig mit westfälischen durcheinander sich mischen und aus zwei von Girsewalds eine Person wird, S. 352 Z. 11 „Gissot“, S. 406 „Werre“ im Lippe’schen, S. 634 Z. 21, 642 Doazon“, S. 491 Z. 11 „Escalon“, S. 609 Z. 19 u. 20 „Schulenburg-Bodendorf“ und andere Namens-Fehler mehr, die einem Geschichtschreiber des Königreichs Westfalen „nach jahrelangen Vorarbeiten“ niemals hätten unterlaufen dürfen. — Ducoudras starb, wie S. 129 richtig steht, am 13. Juli 1810 und soll 1812 Baron des Kaiserreichs geworden sein. (Das ist auf Seite 485 kritiklos aus den Mémoires du roi Jérôme, vol. V. page 137 abgeschrieben.) — Welchen Hafen konnte Mecklenburg-Strelitz öffnen? S. 559 heisst es „beide“; denn Ratzeburg gehörte damals zu Frankreich (Dep. Bouches de l'Elbe). — S. 105 denkt jedermann, wohl auch Herr Prof. Dr. Kleinschmidt, bei Bergen, an den Ort zwischen Hanau und Frankfurt: gemeint ist aber bei Du Casse zweifelsohne Stadtberge d. i. Niedermarsberg an der Diemel. Doch sapienti sat!

Kleinschmidt hat also nicht, weder im grossen Ganzen noch in Einzelheiten, wie er wollte, die erste „Geschichte des Königreichs Westfalen“ uns gegeben, sondern diese wird erst noch — abgesehen von dem schon bis zum Ueberdrusse behandelten Hofskandal Jeromes in Cassel — in Zukunft nach gründlichen Vorarbeiten über die vielen Gebiete der z. T. musterhaften, inneren Verwaltung Westfalens geschrieben werden müssen.

Cassel, 14. August. 1893.

Dr. phil. Fritz Seelig.

 

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