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IV. Vortrag am 16. Februar 1894.

Herr Professor Schröder gab im Anschluss an die vor kurzem erschienene Biographie des Erasmus-Alberus von Professor Schnorr von Carolsfeld und die Ausgabe der Fabeln von Professor Braune eine Schilderung von dem unruhigen und wechselreichen Lebensgang des hessischen Dichters und Reformators und eine kurze Charakteristik seiner litterarischen Persönlichkeit.

Erasmus Alber ist um das Jahr 1500 in der Wetterau, nicht weit von Frankfurt, geboren. Den Namen seines Geburtsortes kennen wir nicht; doppelt falsch ist es, wenn das neue Kirchengesangbuch als solchen „Spendlingen (Kreis Gffenbach!) in der Wetterau“ nennt. Er verlebte einen Theil seiner Jugend in Staden, besuchte die Lateinschule in Nidda, später mit besserem Erfolg die zu Weilbnrg [Weilburg] und begann seine höheren Studien auf der Universität Mainz, wo er sich der humanistischen Bewegung angeschlossen zu haben scheint. 1520 zu Wittenberg immatrikulirt fand er Aufnahme in den engern Kreis der Reformatoren: die Freundschaft Luthers und Melanchthons blieb ihm durchs Leben bewahrt, wie anderseits er für den theuern Gottesmann Dr. Martinus übers Grab hinaus eine begeisterte Anhänglichkeit und Verehrung hegte. 7 Jahre hat er dann (1522—1528) als Lehrer in Büdingen, Eisenach und vor allem in Oberursel gewirkt, 11 Jahre (1528—1539) als von Landgraf Philipp persönlich bekannter Pfarrer zu Sprendlingen in der Obergrafschaft Isenburg das Ländchen Dreieich reformirt und der neuen Lehre gewonnen. In Büdingen empfing er die ersten Anregungen zu dichterischer Production, in Ursel (wo er sich auch verheirathete) schrieb er seine ersten Fabeln, von Sprendlingen aus trat er zuerst an die litterarische Oeffentlichkeit: mit diesen (17) Fabeln (1534), mit Schriften über Kinderzucht und zum Preise des Ehestandes (1536). Von Sprendlingen aus unternahm er auch, durch Landgraf Philipp empfohlen und unterstützt, eine Reise nach Küstrin, um im Auftrage des Markgrafen Hans die Reformation in der Neumark in die Wege zu leiten. 1539 legte er seine Pfarrstelle in der Dreieich nieder und scheint sich in der nächsten Zeit vorzugsweise in Marburg aufgehalten zu haben. Ein Erinnerungsmal an diese Zeit bildet die 48ste Fabel (der Ausgabe von 1550) mit ihrer dem Preise der jungen Universität und ihres Poeten Eobanus Hessus gewidmeten Einleitung. Von Wittenberg aus verschaffte man ihm dann eine Pfarrstelle in Brandenburg a. d. H., die er aber schon nach einem Jahre (1542) wieder verlassen musste. Sein hitziges Temperament, seine streitbare Natur scheint an diesem wie an andern Miserfolgen mitschuldig gewesen zu sein. Eine litterarische Frucht dieser Zeit war die heftige Streitschrift „Der Barfüsser Mönche Eulenspiegel und Alkoran“ (1542). Das Jahr 1543 brachte ihm eine Art Genugthuung durch die Verleihung der theologischen Doctorwürde von Wittenberg. Aus dem heimatlichen Staden, wo er dann ein Jahr lang als Prediger gewirkt hat, nahm er einen Ruf als Reformator des hanau-lichtenbergischen Amtes Babenhausen an,

 

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