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um sich als Chirurgien-major beim 1. Westfälischen Linien-Regiment zu melden; ein alsbaldiger Marschbefehl ruft das Regiment nach Magdeburg (28. 3. 1811), wo es mit dem 8ten Linien-Regiment zu einer Brigade formirt wird. Hier wird Verbandzeug empfangen, die Mannschaften erhalten Patronen; man glaubt, dass es diesmal ernst wird. Der Weitermarsch führt das Regiment nach Stettin, von dort nach Danzig (30. 4. 1811), wo es etwa ein Jahr lang bleibt. Am 9. April 1812 kommt Befehl zum Aufbruch; in Passarge löst sich die Brigade auf und das 1. Regiment rückt nach vorübergehender Abcommandirung nach Neutief, schliesslich am 12. Juni 1812 in Königsberg ein. Am Abend desselben Tages langt der Kaiser hier an; H., der öfters Gelegenheit hat, ihn in der Nähe zu sehen, findet wie andere hessische Landsleute in Gang und Manieren eine auffallende Aehnlichkeit mit dem hessischen Kurfürsten. Nach einer glänzend verlaufenen Besichtigung durch den Kaiser setzt sich das Regiment wieder in Marsch, um fortab als Bestandtheil des in Kurland unter Macdonald selbständig operirenden 10. Corps dessen äussersten linken Flügel zu bilden. Beständiges, noch dazu oft planloses Hin- und Herziehen, ärmliche Quartiere, Biwaks, die Härte des Winters und Erkrankungen erschöpfen die Kräfte der Truppen; während Napoleon bereits am 19. September Moskau den Rücken gewendet hat, dringen erst Mitte December unsichere Gerüchte vom Gros der Armee nach dem 10. Corps hin; an demselben Tage wo Napoleon schon wieder in Paris ankommt am 19. December, wird erst unter grimmiger Kälte der Rückzug angetreten; in Tilsit, das H. hinter dem Regiment her am 28. December mit den Kranken erreicht, erfährt er die ganze Wahrheit über das Schicksal der grossen Armee. — Das Tagebuch verlässt uns nun leider auf eine Reihe von Monaten; mit dem Tage, wo es wieder einsetzt (14. Oktober), befinden wir uns in der schreckensvollen Belagerung von Danzig; hier bestand das 1. Linien-Regiment, welches mit zur buntscheckigen Besatzung gehörte, unter Bauers Führung ruhmvoll die Feuerprobe; H. selbst erhielt, vermuthlich für Auszeichnung bei dieser Gelegenheit, den Orden der Westfälischen Krone. Inzwischen stieg die Noth in der Stadt bedenklich; Feuer und Wasser unterstützten die Belagerer; in der Besatzung fing es an zu gähren, Gerüchte von den Aussenereignissen verbreiteten sich, die Desertionen nahmen zu, man parlamentirte hin und her; am Abend des 27. November um 9 Uhr schwiegen endlich die Geschütze; am 29. November kam die Capitulation zu Stande, laut deren das Westfälische Regiment am 1. Januar gemeinsam mit der Sächsischen Artillerie abzog und am 2. Februar in Berlin einrückte. Den Hessen unter den Officieren wurde hier freigestellt, nach Hause zu gehen; sie machten sämmtlich von dieser Anerbietung Gebrauch. Am 17. Februar, nach dreijähriger Trennung von der Heimat, sieht Harnier in Cassel die Seinen wieder. Einen Monat später rückt er, da alle Stellen besetzt sind, als freiwilliger Arzt hinter den hessischen Truppen nach Frankreich hinein bis vor Metz; im Juni gehts nach Luxemburg; von dort kehrt er Anfang Juli nach Cassel zurück, schliesst seine militärische Laufbahn ab und erhält zum Lohn für seine Thätigkeit vom Kurfürsten die licentia practicandi.

 

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