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Chatten weichen musste. Die Hochfläche bildete von da ab einen Bestandtheil des chattischen Niedergaus. Im Uebrigen blieb sie in ihrer Einsamkeit unberührt. Die immer noch spärliche Bevölkerung lebte im Walde zerstreut; Jagd und Viehzucht lieferten ihr den Lebensunterhalt.

Erst mit der Zeit der Römerkriege begann ein neuer Abschnitt in der Entwicklung der Gegend. Ob die Römer auf ihren Streifzügen gerade bis hierher vordrangen, ist allerdings schwer zu sagen. Die Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dafür, dass die Cohorten der bereits vorhandenen Sälzerstrasse folgten, wenn sie, wie im Jahre 9 v. Chr. nach Besiegung des Chattenheeres von der Edder zur unteren Werra zogen. Dilich schreibt in seiner hessischen Chronik den Römern sogar die Erbauung des Reichenbacher Schlosses zu. Er fusst dabei auf einem angeblich hier oben gemachten Fund altrömischer Kaisermünzen. Thatsächlich dürfte aber der etwaige Aufenthalt feindlicher Krieger nicht über die zum Durchzuge erforderliche Zeit hinausgegangen sein. Für die Erschliessung der Gegend blieb er zudem ohne Belang.

In dieser Beziehung kommt allein der Einfluss in Betracht, den die fortgesetzten Zusammenstösse mit den Römern auf die gesammte Lebenshaltung der Chatten ausübten. Unsre Vorfahren wurden genöthigt, im Lande zu bleiben, sesshaft zu werden und sich dem Ackerbau zuzuwenden. Natürlich vollzog sich dieser Uebergang zuerst in den fruchtbaren Flussniederungen. Erst nachdem es hier an Raum gebrach, schob man die Sitze weiter ins Gebirge hinauf. So kommt es denn, dass von allen auf der Lichtenauer Hochfläche vorhandenen und wieder ausgegangenen Orten — wenigstens soweit es sich auf Grund der Namensbildung und sonstiger Anzeichen beurtheilen lässt — nur zwei in der Urzeit, d. h. bis zum 4. Jahrhundert nach Christi entstanden sein werden, das Dorf Velmeden und Vortriden, dessen Stätte wir beim Lichtenauer Friedhof zu suchen haben.

Die Befestigungen des Reichenbacher Schlossbergs reichen vermuthlich bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. zurück. Gerade damals hatten die Chatten nach langen erbitterten Kämpfen das Gebiet von der Werra bis zur Wasserscheide an die nachdrängenden Hermunduren (Thüringer) abtreten müssen. Am Ostrand der Hochfläche stiessen fortan der fränkische Hessengau und die thüringische Hunether- oder Germara-Mark, sowie der Neter- oder Ringgau zusammen. Diesen Grenzzug — die sog. Franzosenstrasse (Reichenbach, Eisberg, Alheimer) ist ein Ueberbleibsel davon — beherrscht nun gerade der Schlossberg vom Hirschberg und Weissner an bis zum Eisberg wie ein vorgeschobener Posten. Sein Besitz musste daher für die Chatten von grösstem Werthe sein. Zweifellos legten diese also damals die ersten Vertheidigungswerke in Gestalt von Erdwällen mit davorliegenden Gräben auf seinem Gipfel und Abhang an.

Während so die Gegend erhöhte Bedeutung erlangte, vermehrte sich auch die Zahl der festen Wohnsitze. Vom 5. bis etwa zum 8. Jahrhundert entstanden im nächsten Umkreise die Orte Reichenbach (Dorf), Dorrenbach, Steinbach, Laudenbach, Walberg (das heutige Walburg), Walbach, Hollstein, Holzbach, Hambach,

 

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