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sind in ihren Erzählungen über die Erlebnisse Heinrichs IV. jedem Gebildeten bekannt. Der Redner erinnert z. B. an die Abendmahlsscene in der Kirche von Canossa. Das Geschichtswerk Lambert’s von Hersfeld verdankt diese weite Verbreitung dem hervorragenden Darstellungstalente seines Verfassers. Das Kloster Hersfeld nahm literarisch im Mittelalter eine hervorragende Stellung ein; politisch stand Hersfeld, ganz abgesehen von zahlreichen sonstigen Beziehungen zu der Person des Königs und des königlichen Hauses, zur Zeit Heinrichs IV. im Mittelpunkte eines lebhaften Streites: es war der Streit um die Kirchenzehnten in Thüringen, der zwischen dem Erzbischofe von Mainz auf der einen, den zehntfreien Thüringern, sowie den in Thüringen reichbegüterten Abteien Fulda und Hersfeld auf der andern Seite Jahrzehnte lang geführt wurde, bis er unter Mitwirkung des Königs 1073 mit einem Vergleiche endigte. Lambert von Hersfeld war in diesem Streite hersfeldisch-particularistisch gesinnt und widmete der Angelegenheit viel Aufmerksamkeit. Von Lambert’s Person ist sonst nur wenig bekannt. Aus seinem Werke spricht ein verständiger, mit dem Leben wohlvertrauter Mann. Theologisch ist Lambert ein eifriger Mönch, aber durchaus ohne pfäffischen Anstrich. Politisch hegt Lambert lebhaftes Interesse für die deutschen Verhältnisse, namentlich für die Person Heinrichs IV., den Lambert ungünstig beurtheilt und dessen Untergang er für ausgemacht hält.

Wir kennen von Lambert ausser seinen Annalen noch zwei andere Werke, nämlich die Bruchstücke einer Klostergeschichte Hersfelds und eine unvollendete Lebensbeschreibung des heiligen Lullus. Beide Werke gewähren in ihrer geschichtlichen Kritiklosigkeit ein Bild der rein formalen Bildung des mittelaltrigen Verfassers. Allein es erscheint nicht gerechtfertigt, hieraus einen Schluss auf die Glaubwürdigkeit auch der Annalen Lambert’s zu ziehen, da Lambert gerade für die Vergangenheit gar keinen Sinn besass, dagegen für die Gegenwart besonders lebhaft empfand und auf die Erkundung der Zeitgeschichte auch nachweislich Sorgfalt verwandte. Lambert, der Darsteller des Alterthums, und Lambert, der Publicist, waren schriftstellerisch zwei ganz verschiedene Persönlichkeiten. — Lambert’s Annalenwerk geht von Erschaffung der Welt bis zur Festsetzung des Wahltages von Forchheim im Februar 1077 ; erst in der selbsterlebten Zeit wird Lambert’s Werk selbständig und ausführlich. Für die Zeit von 1069, noch mehr von 1073 an übertrifft Lambert an Ausführlichkeit alle übrigen Quellen, und schon darum ist uns sein Werk von unschätzbarem Werthe. Die Sicherheit in Berichterstattung und Urtheil, und damit die Zuverlässigkeit des Schriftstellers ist sehr ungleichartig und zwar ist sie verschieden je nach dem Stoffe, den Lambert zu bearbeiten hatte. Hersfeld, Thüringen, Sachsen und der königl. Hof liegen ihm am nächsten, ueber Italien hat er nur nebelhafte Vorstellungen. Den Streit des vierten Heinrich mit Gregor VII. versteht Lambert gar nicht, darum ihm von dem Augenblicke, da dieser Streit nach Deutschland übergriff, der innere Zusammenhang auch in der Reichsgeschichte mehr und mehr verloren ging.

In Lambert’s Geschichtsdarstellung klingen bereits moderne Töne vor, in so fern, als sich der Verfasser nicht mit annalistischer

 

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