..

33

gegen die Person Heinrichs IV. nicht zu erkennen. So weist die äussere Anlage und der innere Charakter des Buches durchaus nicht auf eine politische Parteischrift hin; der Verfasser erscheint als ein selbstständig und wahrhaftig denkender Mann, als ein politisch unthätiger, wenn auch gemüthlich interessirter Zuschauer des Weltgetriebes und sein Buch als ein Werk der Mussestunden, dem der einsame Mönch seine Lieblingsgedanken anvertraute.

Allerdings legt uns der letzte Theil des Lambert’schen Werkes die Annahme nahe, dass der hier gebotenen Darstellung von der Reichsversammlung zu Tribur, von den Vorgängen zu Canossa, von den Vorbereitungen zur Wahl des Gegenkönigs eine Beziehung zu dieser Gegenwahl innewohnt. Denn diese Erzählung ist auf die Notwendigkeit der Entthronung Heinrich’s ganz sichtlich zugespitzt. Das zeigt sich in der Art und Weise, wie der Verfasser die einzelnen Ereignisse ursächlich mit einander verknüpft, in der vielfach subjectiven Färbung, die seinen Berichten, namentlich über die Abmachungen von Tribur und von Canossa, augenscheinlich anhaftet. Es ist nicht wahr, was Lambert behauptet, dass König Heinrich seine Königskrone zu Tribur den Reichsfürsten oder zu Canossa dem Papste gewissermassen zu Füssen legte. Falsch ist es auch, dass der König sich wenige Wochen nach dem Frieden von Canossa mit dem Papste von Neuem überwarf und damit die Reichsfürsten zur Gegenwahl von Forchheim berechtigte. Allein die betreffenden, inhaltlich unrichtigen Darstellungen Lambert’s beruhen nicht auf der Absicht, damit die Gegenwahl politisch zu rechtfertigen, sondern bei dem Bestreben des Verfassers, die Zeitgeschichte in ihrem ursächlichen Zusammenhange zu begreifen, hat er sich da, wo ihm die genaue Kenntniss der wirklichen Vorgänge und ihre Würdigung in staatsrechtlicher und politischer Hinsicht abging, die vorausgegangene Entwicklung eben von der Thatsache der Gegenwahl aus zurecht gelegt, einer Thatsache, die er nicht begreifen konnte ohne die Annahme einer nach den getroffenen Abreden unwiderruflichen Verwirkung der päpstlichen Absolution. Die Thatsache aber, dass Lambert von den Vorgängen, die sich zu Canossa und später abspielten, so ungenaue Kenntniss hatte und auch nur so oberflächliches Verständniss, erklärt sich einmal aus den verwickelten Verhältnissen der damaligen Lage überhaupt, die den Irrthum geradezu herausforderten, wie ja auch die übrigen Geschichtsquellen an der nämlichen Verwirrung reichlich Theil nehmen, sodann aus den Eigenthümlichkeiten des Hersfelder Mönches, der viel Sinn für den dramatischen Verlauf der Dinge, aber gar keine Kenntnis von Staatsrecht und Politik besass. Dazu kommt sein Bemühen um künstlerische Abrundung seiner einzelnen Abschnitte, seine Vernachlässigung der geschichtlichen Details zu Gunsten einer von ihm für richtig gehaltenen Totalauffassung. Politische Abmachungen, Friedensschlüsse hat Lambert auch bei anderen Gelegenheiten in ähnlicher Weise unrichtig überliefert, obgleich es für die ihm zugeschriebene Tendenz völlig belanglos war, ob sich die Dinge in der von ihm angegebenen Weise zutrugen oder anders.

So hat also eine gewisse Voreingenommenheit im Urtheile im letzten Theile des Lambert’schen Werkes auch die Darstellung

Mittheilungen.                                                           3

 

..