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dass die Hessen einen Mann im Schloss durch einen Blidenwurf getötet; das haben die vor Haldessen selbst nicht gewusst. Sein Freund Hermann von Schartenberg sprach einst zu ihm: „Du Reyneke, weshalb bist du nicht mit deinen Leuten in Haldessen ? da gibts viel, was euch auch angeht!“ — Der Geist antwortete: „Ich bin so gut wie du bei der Belagerung mit gewesen.“ — „Wie bist du denn so schnell wiedergekommen?“ — „O! sagte Reyneke, „auf dem Mülleresel, der vor euch herging.“ — „Nun,“ sagte Hermann, der hat tüchtige Schläge bekommen, wie bist du denen denn entgangen, wenn du oben auf dem Esel sassest?“ — „Wenn er Hiebe bekam, sprach da Reyneke, bin ich schnell heruntergerutscht und habe mich auf die Seite gemacht!“ —

So Heinrich von Hervord. Ob dem vorstehenden Bericht des Chronisten — wie es fast den Anschein hat — ein thatsächlicher Spukvorgang irgend welcher Art zu Grunde gelegen, der durch Erzählen von Mund zu Mund ausgeschmückt und vergrössert wurde, das lässt sich wohl nicht mehr entscheiden. An dieser Stelle mag aber darauf hingewiesen werden, dass eine auffallende Gleichheit besteht zwischen der Zierenberger Erscheinung und den spukhaften Vorgängen, die in neuerer Zeit in England sowie in Leipzig von Zöllner*) und Andern beobachtet sein sollen: das Erscheinen von Händen ist bekanntlich eine eben nicht seltene Manifestationsform der Geister in spiritistischen Cirkeln.

Man wird sich damit begnügen können, die ganze Erzählung dem Gebiet der Sage zuzuweisen. Da Reyneke durch seine Vorliebe für das Haus in Zierenberg sich als „Hausgeist“ dokumentirt, so kann ferner der Bericht des Chronisten als Dämonensage bezeichnet werden, eine Sagenklasse, welche bekanntlich das Auftreten von Riesen, Zwergen, Wichteln, der Hausgeister, des Teufels u. s. w. behandelt: anderseits würde die Erwähnung von Haldessen und des Hermann von Schartenberg auf eine historische Sage hinweisen. Diese letzteren sind jedoch oft mit den örtlichen Sagen eng verbunden, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht selten

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*) Kiesewetter, Geschichte des neueren Occultismus. II, Leipzig, 1895.

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