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des Gegenkönigs Rudolf Seite zu ziehen. Versetzt Lampert doch auch seinem Abte Hartwig empfindliche Hiebe ! Auch ist Lampert, was ebenfalls bei dem Verdikt über ihn nicht genügend beachtet worden ist, kein Freund des gehässigen Klatsches. „Die schändlichen Verleumdungen, die man von dem sächsischen Verleumdungscentrum aus gegen des Königs Lebenswandel erhob, finden in ihm einen besonnenen Kritiker. Er übergeht grossentheils oder führt dergleichen nur an, ohne sich für die Richtigkeit zu verbürgen. Diese widerwärtigen Dinge werden bei ihm nur erwähnt, wo sie politisch eine Rolle spielten.“ Wohl hat er oft geirrt. „Die Sicherheit der Berichterstattung nimmt mit der Entfernung des Verfassers von dem Schauplatze der Ereignisse auffallend ab. Über Italien und die Dinge an der Kurie hat er ganz nebelhafte Vorstellungen. Heinrichs Streit mit Gregor begriff er gar nicht. Was er hierüber erzählt, hat nur Geltung für die äusserlichen Geschehnisse. Hier geht dem schlichten und wundergläubigen Mönche der wirkliche Zusammenhang auch in der Reichsgeschichte mehr und mehr verloren, so dass der letzte Teil seines Werkes historiographisch als der schwächste betrachtet werden muss.“ L. verstand eben nicht die staatsrechtlichen Fragen und die diplomatischen Vorgänge zu beurtheilen. Aber diese Mängel „haben ihren Grund in der Eigenart des Verfassers, dieses rasch denkenden und schnell arbeitenden, stark subjektiven und geistig doch nicht allseitig durchgebildeten Mönches. L. war zu sehr bemüht sich die Dinge in seinem Kopfe zurechtzulegen, ehe er entferntere Nachrichten sorgfältig geprüft hatte ; er that den Dingen manchmal Gewalt an, unwillkürlich, ohne das Bewusstsein eines wahrheitswidrigen Handelns. Auch beschrieb er eine Zeit voll Unruhe, voll unsichern Herüber- und Hinübertastens, ein Treiben, bei welchem sich die Haltung der Mithandelnden durch den Druck der Verhältnisse immerwährend verschob. Er ist der Repräsentant der politischen Unzufriedenheit von 1056—1077. Er sah immer mehr nur auf die Schattenseiten in den herrschenden Zuständen, auf die Schwäche der Fürsten, die dem Könige nicht zu widersprechen wagten, ja mit ihm gingen, wo die eigene Meinung anders gebieten sollte. So lebte er sich in einen politischen Pessimismus hinein, der zuletzt die Ursache des Übels ganz vorzugsweise in der Person des Königs erblicken zu müssen glaubte. Daher seine Neigung, dem König hässliche Beweggründe unterzuschieben, daher seine Befriedigung, als der verblendete Salierkönig den vermeintlichen Untergang erleidet. Eigene Schädigungen, wie die Zehntangelegenheit, mögen nebensächlich mitgespielt haben. Schwierige Fragen staats-, kirchen- und privatrechtlicher Natur standen wiederholt zur Entscheidung. Gerade hier fehlte dem gemeinen Manne, und als mehr ist L. politisch nicht anzusehen, das zur publicistischen Darstellung erforderliche Verständnis. Am meisten Bedenken müssen seine Angaben über Versammlungen, gehaltene Rede und gefasste Beschlüsse erregen.“ Überhaupt „gewähren die mittelalterigen Geschichtsquellen, so achtungswerte Leistungen sie auch im einzelnen enthalten, der heutigen Geschichtswissenschaft die Unterlage nicht, auf der wir unsere heutige Darstellung aufbauen können wie die alte Geschichte auf den Geschichtswerken der klassischen Vergangenheit. Sie bieten Einzelheiten und im weiten Masse unverstandene Einzelheiten, aus denen das Ganze

 

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