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4)   Herr Oberlehrer Dr. Knabe hält Vortrag über: „Dr. Heinrich Gräfe, sein Leben und Wirken“.

Heinrich Gräfe, der erste Leiter der jetzigen Oberrealschule zu Cassel und ein Mann, der im Realschulwesen überhaupt eine grosse Rolle gespielt hat, ist wie so viele der führenden Geister, aus dem Mittelstande, aus einfachen Verhältnissen hervorgegangen. In einem kleinen Thüringer Landstädtchen Buttstädt am 3. März 1802 geboren, wurde er zunächst in seiner Vaterstadt und dann auf dem Gymnasium zu Weimar zum Studium vorbereitet. Schon als Schüler zeigte er Neigung und Anlage zu dem Berufe eines Lehrers, und so widmete er sich in den Jahren 1820 bis 1823 in Jena neben den theologischen Studien, die ja damals am leichtesten den Weg zum späteren Lehramt ebneten, auch philosophischen und mathematischen Arbeiten. Seine erste Anstellung erhielt er in Weimar, aber schon nach 2 Jahren, im Jahre 1825, wurde er als Rektor an die Stadtschule zu Jena berufen, wo er zuerst reiche Gelegenheit fand, sein grosses organisatorisches Talent zu entfalten. Hier schloss er sich eng an den Professor der Pädagogik Brzoska an, dessen Schrift über die Notwendigkeit einer gründlichen Ausbildung in der Pädagogik neuerdings von W. Rein wieder herausgegeben worden ist. Nach dessen frühem Tode nahm Gräfe auch seinen Lehrstuhl an der Universität ein. Seine Erfolge auf dem Gebiete des Bürger- und Real-Schulwesens hatten eine Berufung nach Cassel zur Folge, wo man schon seit mehreren Jahren mit dem Gedanken einer Neuordnung der von dem westfälischen König Hieronymus gegründeten Realanstalt umging. In Gräfe hatte man den richtigen Mann gefunden, um die neuen Ideen in die Wirklichkeit überzuführen und die im Frühjahre 1843 neu errichtete Realschule bald zu hoher Blüte zu bringen. Er gab dieser neuen Unterrichtsanstalt schon damals eine Einrichtung, wie sie die heutigen Realschulen besitzen, wenn man von der heute natur-gemäss eingehenderen Unterweisung in den neueren fremden Sprachen absieht. Sie diente als Muster vielen Schulen Deutschlands, und auch aus Russland wandte man sich an Gräfe um Rath. Mit allen bedeutenderen Pädagogen seiner Zeit stand er in engster Fühlung und zugleich mit Direktor Vogel in Leipzig regte er erfolgreich eine Zusammenkunft der Realschulmänner Deutschlands an. Dabei fand er noch Zeit zur Abfassung von gediegenen Schulbüchern auf mathematisch-naturwissenschaftlichem, wie auf neusprachlichem Gebiete und zur Herausgabe höchst werthvoller pädagogischer Werke, zu denen seine Universitäts-Vorlesungen in Jena den Grund gelegt hatten.

Die Bewegungen der Jahre 1848 u. ff. führten auch ihn zur Politik. Redner ging hierbei genauer auf die Entwickelung des kurhessischen Verfassungskampfes ein. Gräfe war von dem Märzministerium mit der Revision des gesammten Schulwesens betraut worden. Um der Schulreform zu nützen, trat er den politischen Angelegenheiten näher und war bald als Abgeordneter

 

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