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in die Ständeversammlung gewählt worden. Was Gräfe war, das war er ganz, und so finden wir ihn bald in den vordersten Reihen der Kämpfer für die Volksrechte gegenüber der Regierung, die unter Hassenpflugs Leitung bald offen damit umging, die Verfassung umzustürzen. Eitrig betheiligte er sich an den Arbeiten des bleibenden landständischen Ausschusses, der nach der Auflösung des Landtags sich dem Schutze der Verfassung energisch widmete. Unterdessen war am 7. September 1850 über Kurhessen der Kriegszustand verhängt, der jedoch von den meisten Beamten und Gerichten des Landes nicht anerkannt wurde. Der bleibende Ausschuss, bestehend aus den Obergerichtsanwälten Schwarzenberg und Henkel, dem Marburger Professor Bayerhofer, dem Schriftsteller Dr. Kellner und dem Rektor Dr. Gräfe, ging wegen der verfassungswidrigen Verordnungen des Ministeriums sogar mit Anklagen gegen Hassenpflug vor. Und als endlich die »Strafbayern« als Bundesexekution ins Land einrückten, da liess Gräfe ein Buch im Drucke erscheinen »Der Verfassungskampf in Kurhessen nach Entstehung, Fortgang und Ende historisch geschildert«, in dem er seinem Vorwort getreu »jede Aengstlichkeit in der Ausdrucksweise« vermieden hat. Darauf wurde er in Untersuchung gezogen und am 19. Febr. 1852 von einem Kriegsgericht zu dreijähriger Festungsstrafe verurtheilt. Diese Strafe wurde in zweiter Instanz auf ein Jahr herabgesetzt, aber gleichzeitig wurde dem Manne das Recht zum Tragen der National-Cocarde und damit die Fähigkeit zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes abgesprochen. Nach Verbüssung der Strafe entwich Gräfe in die Schweiz, um weiteren Verfolgungen zu entgehen. Aus bedrängter Lage wurde er durch eine Berufung nach Bremen befreit, wo er abermals eine Realschule neu eingerichtet und an ihr von 1855 bis 1868 segensreich gewirkt hat.

Gräfe war ein bedeutender Mann, dessen Leistungen nicht werden vergessen werden, aber — was noch mehr ist — er war ein Charakter, und Charaktere brauchen wir auch in unseren Zeiten, wenn wir auch Gott sei Dank nicht zu fürchten haben, dass wir ähnlichen Kämpfen entgegengehen in unserem einigen, grossen, deutschen Vaterlande.

 

f. Monatsyersammlung am 25. Januar 1897.

1)  Herr Bankier Fiorino legt eine in seinem Besitz befindliche Kirchenkastenrechnung von St. Martin zu Cassel vom Jahre 1581 vor.

2)  Herr Dr. Scherer hält Vortrag über die „Geschichte der Wilhelmshöher Schlossbibliothek und ihre Vorläuferinnen“*).

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*) Der Vortrag ist veröffentlicht im Casseler Tageblatt und Anzeiger, Jahrg. 1897, Nr. 27—30. Eine Ergänzung bildet des Verfassers Aufsatz 'Die Wilhelmshöher Schlossbibliothek. Ein Blick auf ihre Geschichte und ihre Schätze'. Abgedruckt in der Zeitschrift für Bücherfreunde. Jahrg. I. (1897.) Heft 5.

Mittheilungen.                                                         3

 

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