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Aus solcher Heimaths- und Hessenliebe erwuchs dann die Liebe zum grossen deutschen Vaterlande. Bei dem Festmahl zu Travemünde 1847 sprach Jakob, wenn seiner später noch gedacht werde, so wünsche er, dass man von ihm sage, was er selbst von sich sagen dürfe, dass er niemals im Leben etwas mehr geliebt als sein Vaterland. In dieser Liebe zum Vaterlande sehnten sie sich nach Frieden, Eintracht, Einheit der deutschen Stämme. Unbeirrt stand Jakob auf dem Glauben, dass Preussen zur Führung Deutschlands berufen sei.

Welch ausdauernden, eisernen Fleiss, welche nie erlahmende Lernfreudigkeit haben sie in ihren Arbeiten gezeigt. Dabei waren sie in ihren Arbeiten sehr verschieden: Jakob war ein Eroberer, der ein neues Reich gründete und grosse Strecken urbar machte, Wilhelm bildete seine Arbeiten in ruhiger Vorsicht und geduldiger Sammlung aus, er half bebauen und pflegen, was der Bruder erobert, — ein Gegensatz, wie wir ihn ähnlich in Luther und Melanchthon finden.

Ja, sie waren grundverschieden in ihrem Wesen: Jakob kühn, ungeduldig, zuweilen heftig; Wilhelm bedächtig, vorsichtig, ruhig. Und dabei doch eine so innige, durch keinen Misklang je getrübte Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, wie wir sie in der gesamten Geschichte der Litteratur und Geisteswissenschaften bei einem zweiten Brüderpaare wiederfinden. Unter den fünf Brüdern schlossen sie sich schon von früh auf enger zusammen; nur selten waren sie einmal getrennt und dann waren sie voll Sehnsucht und Trauer. Als Wilhelm sich verheirathet hatte, wohnte Jakob hinfort bei ihnen, und ,,Dortchen“ war auch dem Schwager eine treue Freundin und Beratherin. Auf dem Matthäikirchhofe in Berlin sind sie neben einander begraben, und gleichsam neu erstanden stehen sie jetzt auf dem Nationaldenkmal in Hanau in brüderlicher Eintracht nebeneinander.

Redner gab zum Schluss dann noch einige zusammenfassende Worte über die wissenschaftlichen Leistungen der Brüder und ihre nachhaltige Bedeutung. Jakob ist vor allem der Begründer einer auf geschichtlichem Boden ruhenden wissenschaftlichen Behandlung der vaterländischen Sprache, Dichtung und Alterthumskunde geworden, Wilhelm der Begründer der altdeutschen Literaturgeschichte. Auf allen Geistesgebieten sehen wir durch sie ein neues Wachsthum und Gedeihen; verschiedenen Kunstgebieten haben sie Anregung und Stoffe geboten, haben die Laien mit den Gelehrten ausgesöhnt, Hoch und Niedrig, Alt und Jung wie mit einem Bande liebevoll umschlungen. Sie haben das bürgerliche Gesetzbuch mitbegründen helfen, sie sind mächtige Förderer des nationalen Einheitswerkes, Mitbegründer des neuen deutschen Reiches geworden.

Der Herr Vorsitzende nahm Veranlassung am Schlusse des Vortrags auf die in Cassel zu Ehren des Andenkens der Brüder Grimm ins Leben getretene 'Casseler Grimmgesellschaft' hinzuweisen.

 

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