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Stamme zuteil werden liess, nach. Liudolf wurde in den Aufstand seines Schwagers Konrad, des Herzogs von Lothringen und mächtigsten Herrn im Lahngau, hineingezogen, dessen Schicksal er nachmals teilte. Für den Ausgleich mit Liudolf und seinen Genossen wurde ein allgemeiner Reichstag nach Fritzlar angesetzt, — ein Beweis, dass es sich um eine spezifisch fränkische Angelegenheit handelte; aller seiner Lehen und Würden für verlustig erklärt, hat er sein Leben frühzeitig in Italien geendet.31a).

Wem nach diesem die Grafschaft im Hessengau übertragen wurde, weiss man nicht. Nur eine alte Tradition besagt, dass König Otto damals ganz Thüringen und Hessen dem erzbischöflichen Stuhl in Mainz, den im selben Jahre 954 sein vielgeliebter natürlicher Sohn Wilhelm bestieg, zu eigen gegeben habe32). Die Historiker haben dieser Erzählung einiger alter Chronisten keinen Glauben beimessen wollen, und Wenck thut sie in seiner hessischen Landesgeschichte kurzer Hand mit den Worten ab, dass ein Märchen dieser Art, dem die ganze folgende Geschichte widerspreche, keiner Widerlegung bedürfe. Dennoch wird die Angabe, soweit sie Hessen betrifft, richtig sein; und indem wir nur die Verquickung mit Thüringen als einen durch die spätere Geschichte veranlassten Irrtum abweisen, halten wir an der doppelten Thatsache fest: einmal dass die Grafschaft und das Landgericht zu Hessen, das man nennet das Gericht zu Maden, thatsächlich später von Mainz zu Lehen geht; sowie zweitens, dass wir keinen andern Zeitpunkt kennen, wo diese Lehnsabhängigkeit hätte begründet werden können. Einer unserer Chronisten, dem wir Nachricht hiervon verdanken33), begeht bei dieser Gelegenheit einen für die Wahrheit seiner Angabe so charakteristischen Irrtum, dass ich mir nicht versagen kann, ihn hervorzuheben; er schreibt: „Dies ist jener Erzbischof Wilhelm von Mainz, dem sein Vater Otto Thüringen und Hessen zu vollem Recht und Oberhoheit übergab. Vorher aber gehörte Hessen dem Herzog Burchard, den die Ungarn erschlugen“. Ein Herzog Burchard von Thüringen, dem freilich die Grafschaft Hessen nie unterstanden hat, ist nun im Jahre 909 thatsächlich gegen die Ungarn und Daleminzier gefallen. Ihn verwechselt der Chronist mit jenem Herzog Burchard, der Liudolfs Nachfolger in Schwaben wurde, und der uns als Gemahl der Herzogin Hadwig aus Scheffels Eckehard wohl bekannt ist. Und wie Schwaben, so folgert der Chronist, sei auch Hessen zunächst an Herzog Burchard gekommen, ehe es an Mainz überging. Indem er bei späterer Gelegenheit34) seiner eigenen Angabe mistraut, zeigt der Chronist, dass er diese nicht selbständig erfunden, sondern einer ändern Quelle entnommen hat. Endlich ist auch der Mitteilung der Historia de Landgraviis Thuringiae35) Beachtung zu schenken, dass die Mainzer Erzbischöfe 70 Jahre lang Thüringen und Hessen regiert hätten bis zu Kaiser Konrad II. Der erste Graf, der uns im Hessengau wieder begegnet, erscheint im Jahre 1019, also thatsächlich 65 Jahre nach Liudolfs Sturz. Er heisst Friedrich, und wir wissen von ihm nur, dass die Orte

 

 

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