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Mutter in Folge langjähriger Leiden sichtlich ihrer Auflösung entgegen ging. Ich harrte also an ihrer Seite aus, bis auch sie mir im April 1868 entrissen wurde. Damit war auch meine bisherige Carrière unterbrochen, indem es jetzt meine pekuniären Mittel nicht erlaubten, eine längere Reihe von Jahren ohne Gehalt an einem theuren Regierungssitz zu leben, und ich musste mich schweren Herzens entschliessen, einen liebgewordenen Beruf vorläufig wenigstens aufzugeben.

Die kurz auf einander folgenden Verluste und eigenes Unwohlsein hatten übrigens so nachtheilig auf mich gewirkt, dass ich es gerathen fand, durch ein kräftiges Mittel meinen gesunkenen Lebensmuth aufzufrischen. Ich wählte dazu eine Reise nach England, welche mir zugleich Gelegenheit geben sollte, eine inzwischen begonnene archäologische Arbeit (über die Geschichte der Orgel) zu fördern, und hatte ich das Glück, in meinem Vetter Professor Dr. Gustav Bickell einen mit mehreren wissenschaftlichen Instituten und Persönlichkeiten daselbst bekannten Reisegefährten zu finden.

Ende August 1868 brachen wir auf und widmeten einer Reihe von rheinischen, belgischen und französischen Städten und deren Kunstschätzen die ersten 10 Tage. Kurz nach unserer Ankunft in London traten die jährlichen kurzen Ferien des britischen Museums ein, dem hauptsächlich unsere Reise galt, und so gingen wir nach Oxford, um währenddem die dortigen Bibliotheken und Sammlungen zu benutzen. Leider muss ich mir versagen, die mächtigen Eindrücke des neuntägigen Aufenthalts daselbst zu schildern. Der Hauptgewinn war für mich ein bedeutender Fortschritt in der Kenntniss und dem Verständniss der gesammten Kunst- und Kulturgeschichte des Mittelalters, in welcher Beziehung unter anderen die reichen Miniatursammlungen der Bodleiana, sowie deren sonstige kulturhistorischen Schätze einflussreich waren. Wie anregend schon die Stadt selbst

 

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