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wir wollen nicht klagen über die Dürftigkeit dieses Daseins, dessen Form er sich zum guten Theil selbst geschaffen, und das behaglicher zu gestalten er den Freunden eigensinnig verwehrt hat. Wir dürfen nicht sagen, dass sein Leben arm gewesen sei. Nein es war reich an kleinen, stillen Freuden und an Momenten hoher, heimlicher Erhebung. Wenn es dem Ruhelosen in nächtlichem Tüfteln gelang, einem mittelalterlichen Kunsthandwerker das Geheimniss seiner längstverschollenen Fertigkeiten abzulauschen, wenn er beim unermüdlichen Verrücken seiner Kamera in einer gothischen Kirche zu Durchblicken von ungeahnter Schönheit und zur tiefsten Erfassung der architektonischen Absichten des Erbauers gelangte, wenn ihm der neidische Epheu ein Jahrhunderten entzogenes Schönheitsbild wiedergeben musste, wenn ihm ein bestimmt erschlossenes und längst gesuchtes Bindeglied einer Entwicklungsreihe in der Wirklichkeit entgegentrat, ja das waren für ihn Stunden hellen Sonnenscheins. Oder wenn der Einsame, der doch ein so guter Kamerad sein konnte, in seiner Klause von Altertumsfreunden und Kunstforschern aus aller Welt um Auskunft angesprochen wurde, wenn er dem obersten Chef der preussischen Denkmälerpflege als berufenster Führer die Reize des alten Hameln erläutern durfte, wenn in weit vorgerückter Stunde strebsame junge Architekten aus der Schule Schäfers und Otzens seiner Belehrung lauschten, die stets die ganze Linie vom handwerksmässigem Detail und vom Material bis hinauf zur reinen Schönheitswirkung durchmass, dann musste er sich doch sagen, dass er nicht umsonst gelebt habe und dass der göttliche Funke aus ihm ins weite leuchtete, wie vieles auch von dem Erstrebten und Ersehnten unerreicht blieb.

Ludwig Bickell war ein Gelehrter, gleichfern von jedem Zünftlertum wie vom Dilettantismus. Sein Wissen war kein Bücherwissen, ja es war vielleicht in den letzten Jahren zu wenig gestützt und

 

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