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[Bürgergardengesetz] gesetz nicht angehören
konnten (wegen hohen Alters u. s. w.). Sie trug schwarze Blousen und
runde niedrige Hüte, war mit Büchse oder Flinte bewaffnet
und hatte den Forstmeister Hütterott und den Rittmeister a. D.
von Diemar zu Offizieren.
Um dem Volke zu imponieren, wurde Ende März an einem Sonntag eine
Parade anbefohlen. Nach dem Vormittags-Gottesdienste traten die Mannschaften
auf dem Altstädter Kirchplatze an und marschierten dann vor Bürgermeister
und Rat in Parade vorbei. Die Bürgergarde führte bei solchen
Gelegenheiten, außer Tambouren und Hornisten, die Armbrustsche
Kapelle von Schöneberg1), die
aus 16 Mann bestand und Blechinstrumente hatte; die Schutzwache war
auf die am Brunnen konzertierenden sog. Prager Musikanten angewiesen.
Diese spielten zwar besser, als die Schöneberger, aber es nahm
sich doch sonderbar aus, wenn sie mit Geigen und Baß vorbeimarschierten.
Der Anfang des Monats April brachte wieder neue Aufregung. Am Morgen
des 10. April 1848 saßen wir schon frühe ruhig in der Renterei
und arbeiteten, als der Steueraufseher Söhlke mit der Meldung eintrat,
um 8 Uhr morgens rücke die Garde du Corps ein. Wir machten ungläubige
Gesichter; was sollte die Garde du Corps in Hofgeismar? Doch Söhlke
erzählte weiter: am Abend vorher sei in Kassel offene Revolution
ansgebrochen und die Garde du Corps habe fliehen müssen2)
. Der Rentmeister hielt es nun für angemessen, daß
wir uns die Sache selbst ansähen, womit ich natürlich sehr
einverstanden war.
Über den Hagen begaben wir uns nun auf den Weg zur Kaserne und
trafen unterwegs den Steuerinspektor Spindler, der uns die Nachricht
mitteilte, es seien in Kassel Barrikaden gebaut und das Zeughaus
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1) Dorf bei Hofgeismar.
2) Sog. zweite Garde du Corps-Nacht.
Eine Abteilung Garde du Corps hatte, auf wessen Befehl ist unaufgeklärt
geblieben, in eine Volksmenge, die dem Generaladjutanten des Kurfürsten,
von Helmschwerd, eine Katzenmusik bringen wollte, eingehauen. Die Folge
war die Erstürmung des Zeughauses und ein Angriff auf die Garde
du Corps-Kaserne durch die Kasseler Bürgerschaft.