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[imponierte] ponierte, noch mehr aber seine sonore Stimme, natürlicher Verstand, Beredsamkeit und unbezwinglicher Mut. Ob ihn gerade Vaterlandsliebe und nicht vielmehr die Not, die Gewerblosigkeit auch seiner Zunft dazu brachte, ist schwer zu entscheiden, genug, er ist der erste gewesen, der den Mut hatte, die Bahn zu brechen. Schlug sein Unternehmen fehl, so war das Schafott oder lebenslängliche Eisenstrafe sein Lohn. Jetzt ist er der gefeierte Held des Tages. Man muß dem Kurfürsten und dem Kurprinzen 1) zu ihrem Ruhme nachsagen, daß sie in späteren ruhigeren Tagen nie sein Unternehmen geahndet haben.

Das erste, was Herbold tat, war, daß er die Zunftmeister aller Zünfte zu einer gemeinsamen Beratung auf den Stadtbau zusammenberufen ließ. Dieser Schritt war illegal. Es bestand vor Zeiten eine Korporation aller Zunftmeister der verschiedenen Zünfte 2) in Kassel, die zusammenkommen konnten, um sich über das Beste der Zünfte zu beraten, ohne deshalb um Erlaubnis bitten zu müssen. Diese Vereinigung hieß die Zusammenberufung der Mutterlade. Beim Ausbruch der französischen Revolution im Jahre 1789 war dieses Recht schon den Bürgern als zu gefährlich für die Ruhe des Staates verboten und dieses Verbot in der neuen Zunftordnung vom Jahre 1816 wiederholt worden. Herbold nahm daher auch Anstand, diesen Schritt zu tun. Nach Beratung mit mehreren Bürgern, unter anderen auch mit dem Verfasser, wurde ihm der Rat gegeben, das Verbot zu umgehen; er könne ja die Gildemeister auf ein Glas Bier als Privatmann zu sich bitten, das könne ihm niemand wehren, und dann — um etwas Großes, auszuführen, müsse man auch etwas wagen. Herbold ging nun selbst zu den verschiedenen Gildemeistern und lud sie zu einer Zusammenkunft auf dem Stadtbau ein, ohne dem Oberzunftamt Anzeige zu machen. Die meisten erschienen. Herbold hielt den Vortrag; alle Beschwerden bezogen sich aber auf Gildesachen. Das Interesse der Gilden ist nun freilich sehr verschieden, was einer nützlich ist, ist der anderen schädlich;

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1) Friedrich Wilhelm, der letzte Kurfürst.

2) Es gab in Kassel 32 Zünfte.

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