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21. Januar 1831, war für Hessen von wichtigen Folgen. Die Frau Gräfin Reichenbach hatte sich nicht wieder in Kassel blicken lassen und jeder glaubte, daß ihre Herrschaft vorbei sei. Dem war aber nicht so. Aus Freude über die Bekanntmachung der Verfassung und aus Dank gegen den Kurfürsten wurde diesem eine Fackelmusik vom Magistrat und den Bürgern gebracht. Der Kurfürst nahm solche im Prinz Georgschen Palast 2) an, ihm wurde ein Lebehoch gebracht, alles war voll Freude. Der Bürgermeister hielt eine Rede und blieb, obwohl er ein vortrefflicher Redner war, stecken. In diesem Augenblicke wurde der Bürgermeister und der Magistrat zum Kurfürsten beordert. In dem Eckzimmer nach der Bellevue zu war derselbe mit seinem Hofstaat versammelt. Im Vorzimmer befanden sich noch die Überbleibsel der aufgehobenen Tafel. Der Kurfürst sprach seinen Dank aus für die ihm gemachte Freude, versicherte, daß alle Ursachen zum Mißvergnügen zwischen Fürst und Volk gehoben seien und daß nun gleichsam ein goldenes Zeitalter eintreten solle, worauf der Magistrat entlassen wurde. Dies waren aber nur schöne Worte, denn in dem Augenblick, wo der Kurfürst diese Versicherung gab, war die Gräfin Reichenbach im tiefsten Inkognito zur Wilhelmshöhe wieder angekommen — mithin war die Ursache des Streits und Mißvergnügens wieder da. Da die Gräfin unter der Dienerschaft wenig Freunde hatte, so war ihre Ankunft bald verraten. Schon am anderen Morgen — es war an einem Montag 3) — um 9 Uhr wurde es bekannt. Über diese Treulosigkeit des Fürsten waren alle Bürger wütend. Alles stürmte nach der Wilhelmshöhe, Herbold an der Spitze; ganz Kassel war in Aufruhr. Bei diesen Umständen wählte die Gräfin den kürzesten Weg und entfloh zu ihrem Glücke; sie wurde verfolgt, aber nicht eingeholt, sonst

nicht am 21. Januar 1831, sondern am 9. Januar 1831 ereignete sich das weiter Berichtete. Am 8. Januar war die Verfassung feierlich verkündet worden, am 9. fand morgens ein Dankgottesdienst, am Abend die oben erwähnte Fackelmusik statt, bei welcher der Kurfürst seine am 7. aus Fulda angelangte Gattin auf dem Balkon des Schlosses umarmte, was ungeheuren Jubel hervorrief.

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2) Flügel des Bellevueschlosses nach der Georgenstraße hin.

3) 10. Januar 1831.

 

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