vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite

 
 

..

― 47 —

Entscheidungsjahr 1866 kam. Der Vortragende schilderte eingehend die Entwicklung des Einheitsgedankens bei Bismarck, wie er schließlich in dem Rundschreiben vom 10. Juni 1866 feststand: gesamtdeutsches Parla ment mit begrenzten Befugnissen, preußische Herr schaft im Norden, bayrische im Süden. Alle Versuche, Bayern und die anderen deutschen Staaten vom Kriege auf Österreichs Seite zurückzuhalten, mißglückten, obgleich von Hannover und Kurhessen nur Neutralität gefordert wurde: Hessen solle der Entwicklung der Ereignisse ruhig zusehen, jede Schonung wurde ihm verheißen. Trotz aller Abmahnungen im eigenen Lande entschloß sich der Kurfürst, hinter dem vor allem seine Gemahlin stand, zum Krieg gegen Preußen. Bismarck hatte zunächst keinen Eroberungsgedanken, als höchstens den der Einverleibung Sachsens und einer terri torialen Verbindung der preußischen Gebietsteile auf Kosten Hannovers und Hessens. Erst aus der Ab drängung vom großen Einheitsplan auf einen nur nord deutschen Bund (Intervention Napoleons, feindliche Haltung des deutschen Südens) erwuchs zugleich der Gedanke eines Ersatzes in umfassenden Annexionen, der aber erst nach Königgrätz , zwischen dem 6. und 9., vielleicht dem 8. und 9. Juli, seine endgültige Ge stalt gewann; zugleich wurde die weitere Schwierig keit beseitigt, die in den feindseligen Dynastien lag, und diesen Gesichtspunkt hat Bismarck nach außen stets besonders nachdrücklich betont. Gewiß hätten sich die damals annektierten Staaten dem späteren Reich einfügen lassen und wären durch den Zwang der Entwicklung mit ihm verwachsen wie die andern auch. Damals, 1866, war diese Zukunft nicht zu über sehen, und nur aus jener Lage heraus hatte Bismarck zu handeln. Er hatte zunächst nach preußischer Hegemonie gestrebt, die preußische Eroberungspolitik war ihm ein Notausweg, den er aber dann mit vollster Entschiedenheit und mit genialer Eigenart betrat: entweder vollständige Einverleibung oder vollständige Schonung im Hinblick auf die künftige Bundes genossenschaft. Die Einhaltung der von den nord deutschen Staaten geforderten Neutralität hätte den

 

..

 
 
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite