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Amt am Worte Gottes das hervorragendste Regierungsamt unter den Gläubigen der Urchristenheit und wollte doch auch der reformatorische Prediger im gleichen Sinne Diener am Wort, Leiter der Gemeinde sein. Hier nun trat neben den Pfarrer des 16. Jahrhunderts in Hessen, wie allerwärts, die Gewalt der Obrigkeit. Prediger und Obrigkeit regierten gemeinsam die „Landeskirche“. Nachdem der Vortragende ausgeführt hatte, daß der Pfarrer in Hessen theoretisch nach urchristlichen und lutherischen Gedanken zum Prediger bestellt wurde, wies er nach, wie obrigkeitliche Teilnahme an dieser Amtseinführung zu Härten führen konnte, die urchristlichem Empfinden widersprach. So z. B. dort, wo Hessen mit katholischer hoher Obrigkeit sich auseinandersetzen mußte (Streit zwischen dem hessischen und dem mainzischen Amtmann bei der Pfarrbesetzung zu Stausebach) oder wo in Hessen ein katholischer Patron bei katholischem Brauch bleiben wollte (die von Berlepsch zu Unterrieden). Auch bei der landläufigen Einführung des Pfarrers begleitete diesen ein fürstlicher Gewaltbrief und mischten sich hie und da andere Interessen in die religiöse Angelegenheit (Besetzung der Pfarre Hersfeld 1565: Katholisches Patronat. Gemeindevorschlag betont die auf den Kandidaten aus dem Stadtsäckel verwendeten Kosten). — Im zweiten Teil ging der Vortragende auf die Schwierigkeiten ein, die dem Pfarrer im Gemeindeleben aus dem Wettbewerb mit obrigkeitlicher Strafgewalt entstanden. Der Pfarrer Wendelin Knabenschuh zu Borken gab ein Beispiel, wie hier der Prediger bemüht war, kraft seines geistlichen Strafamtes urchristliche Sittenreinheit in der Gemeinde herzustellen, hierbei aber gerade auf Widerstand des Schultheißen stoßen mußte. Der landgräfliche Beamte versagte dem theologischen Ideal seinen Dienst. Nicht viel besser ging es dem Pfarrer zu Homberg (Wendelin Engel), der zu lebhaftem Protest gegen die weltfrohe Obrigkeit getrieben wurde. Andere Fälle aus Allendorf und Echzell rundeten das Bild ab. — Trotz solcher Schwierigkeiten glaubte der Vortragende nicht eine billige Kritik an der hessischen Landeskirche üben zu dürfen. Einmal bemühte gerade sie sich vor

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