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ersten Abend, am 9. Oktober 1916, hatten sich mehr als 50 Mitglieder beim Glase Wein zusammengefunden. Der Vorsitzende, Generalmajor z. D. Eisentraut, eröffnete die Sitzung mit einem Hinweise darauf, daß am Tage vorher 50 Jahre seit der Einverleibung des Kurfürstentums Hessen in die preußische Monarchie verflossen gewesen seien. Daß der Untergang eines Staates, der auf eine 600jährige ruhmreiche Geschichte zurückblicken konnte, vielfach schmerzlich empfunden worden sei, sei erklärlich und selbstverständlich. Aber er wolle auf zwei weitere Erinnerungen hinweisen, die sich an den heutigen Tag knüpften: am 9. Oktober 1914 sei Antwerpen, am 9. Oktober 1915 Belgrad gefallen. Das seien Daten, die genügten, die letzte Spur von Bitterkeit, die noch bestände, auszulöschen.

Er erteilte darauf dem Schriftführer, Rechnungs direktor Woringer, das Wort zu einem Vortrag über den Thron des Königs von Westfalen und seine Verfertiger1). Der westfälische Hof architekt Grandjean de Montigny schuf 1809 in dem halbkreisförmigen Anbau des Museums, der jetzigen Landesbibliothek, einen neuen, 1810 zum ersten und letzten Mal benutzten Saal für die Sitzungen der Reichsstände. Für diesen Saal war ein Thron erforderlich, auf dem der König die Eidesleistung der Stände ent gegennahm. Seine Herstellung wurde dem bedeu tendsten Kunsthandwerker Kassels, dem Bildhauer Johann Christian Ruhl übertragen, dessen aus Süddeutsch land in Kassel eingewanderter Vater als „landgräf licher Hof- und Cabinettschreiner“ die Ausführung der Holzschnitzereien und Stuckarbeiten im Wilhelmsthaler Schloß geleitet hatte. Er selbst hatte sich unter Nahl zum Bildhauer herangebildet und war beim Bau des Wilhelmshöher Schlosses und der Löwenburg tätig gewesen. Später wurde er Lehrer und Professor an der Kasseler Kunstakademie und starb 1842. Ihm also wurde die Anfertigung des Thronsessels anvertraut, dessen Polsterung usw. dem Hoftapezier Boucher, einem Franzosen, übertragen wurde. Der Thronsessel wurde

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1) Der Vortrag ist vollständig abgedruckt im „Hessenland“, 1916, S. 323.

 

 

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