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von Fach, begreiflich, denn die Heimatgeschichte war für die Wissenschaft der Zeit sozusagen noch unentdeckt. Das Verdienst dieser Dilettanten ist es, gesammelt und bewahrt zu haben, was sonst rettungslos dem Untergang verfallen wäre an literarischen Quellen, an Baudenkmälern, an Bodenaltertümern u. dgl. Viel nützliche Arbeit war zu leisten, eine Fülle verhältnismäßig leicht zu bewältigender Aufgaben lag vor. Auch der Nichtfachmann konnte die Genugtuung geglückter Arbeit erleben. Die Romantik hatte den Sinn für Geschichte und ihre Zeugen geweckt. Die Mitglieder strömten den Geschichtsvereinen zu: es war ihre große Zeit. Die Geschichtsvereine waren ein Faktor im Kulturleben der Nation.

Das war vor rund 100 Jahren und das ist schon lange her! Die Gegenwart hält nicht viel von Geschichte; wer sich mit Geschichte beschäftigt, kommt leicht in den Geruch der Rückständigkeit, gilt mindestens als unpraktisch, weltfremd. Geschichte taugt Geschäftemachern als Aushängeschild für geschäftstüchtigen Rummel aller Art. Auch die Geschichtsvereine konnten nicht bleiben, was sie waren. Nachdem gewissermaßen die oberste Schicht des historischen Bodens abgebaut und es nötig war, tiefer zu schürfen, sahen sich die Dilettanten vielfach Aufgaben gegenüber, zu deren Bewältigung die Begeisterung allein nicht genügte, vielmehr schwereres Rüstzeug erforderlich wurde. Gleichzeitig begann sich die Fachwissenschaft der Landesgeschichte anzunehmen, der gelernte Facharbeiter trat an die Stelle des Liebhabers, dieser sank, wenn ich einmal so sagen darf, zum Schwarzarbeiter herab, wenn er nicht auf das Glück eigener produktiver Arbeit überhaupt verzichten und künftighin rein rezeptiv bleiben wollte. Auch dem hess. Geschichtsverein blieb um die Jahrhundertwende der Streit zwischen Fachwissenschaft und Dilettantismus nicht erspart. Wer mehr auf eine Art historischer Unterhaltung als auf wirkliche Arbeit aus war, strömte anderen Vereinen zu. Dieser ganzen Entwicklung gegenüber bleibt den Geschichtsvereinen ihre alte Aufgabe der Pflege historischen Sinns mit seiner hohen ethischen Bedeutung. Es bleibt den Geschichtsfreunden — ich denke besonders an die Pfarrer und Lehrer auf dem Lande —, aus ihrer intimen Kenntnis von Menschen und Dingen heraus zu sammeln, zu bewahren, aufzuzeichnen nicht nur, was an Vergangenem die Stürme der Zeit überdauert hat — sondern auch was in der Gegenwart an Denkwürdigem im Umkreis der Heimat sich ereignet als Grundlage für eine künftige Geschichtsschreibung. Vor 8 Tagen, bei der Hundertjahrfeier des Germanischen Museums, sagte Bundespräsident Heuß , selber bekanntlich ein Historiker von Rang: „Ich habe mich oft und gern mit Orts- und Landesgeschichte beschäftigt. In den Beschreibungen der nahen Dinge erfährt man, wie es den Menschen erging ...“ Auf diese Beschreibungen des Nahen und Kleinen sind die Meister unseres Faches beim Aufbau ihrer großen Arbeit angewiesen — und diese Beschreibungen werden auch heute noch der uneigennützigen Arbeit begeisterter Geschichtsfreunde verdankt. Gewiß: wenn die Könige bauen — haben die Kärrner zu tun. Königliche Bauherren können wir nicht alle sein — wohlan, lassen Sie uns Kärrner sein!

Lassen Sie mich noch mit ein paar Worten auf die Erinnerungen verweisen, die für uns mit dem Datum unserer Zusammenkunft verknüpft sind, das recht eigentlich der Zufall bestimmt hat.

Der 16. August ist der Gründungstag unseres Vereins, denn von diesem Tage des Jahres 1834 datiert der Aufruf zum Zusammenschluß der Freunde hessischer Heimatgeschichte. Daß die Männer, welche den Aufruf erließen, sich des Zusammenhangs mit der erst 15 Jahre vorher erloschenen, 1777 gegründeten Gesellschaft der Altertümer bewußt waren, und inwiefern der hess. Geschichtsverein also eigentlich in diesem Jahre auf eine 175jährige Tradition zurückblicken könnte, das kann hier nicht weiter ausgeführt werden. Der 17. August selbst sah vor 100 Jahren in Dresden Abgeordnete der Geschichtsvereine aus ganz Deutschland versammelt, die sich hier zum Gesamtverein der Geschichts- und Altertumsvereine zusammenschlossen. Der hess. Geschichtsverein war, besonders durch seine verdienstvollen Mitglieder Landau und Nebelthau führend an diesen Verhandlungen beteiligt. Zur Kennzeichnung der Bedeutung des Gesamtvereins, der eben selbst sein hundertjähriges Be- [Bestehen]

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