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AUFSÄTZE


DER MARBURGER VEREIN FÜR HESSISCHE GESCHICHTE UND LANDESKUNDE
Gedenkrede zur 140. Wiederkehr des Gründungstages am 29. Dezember 1979
Karl E. Demandt


Wir gedenken heute der 140. Wiederkehr des Gründungstages des Marburger Zweigvereins des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde e.V. Kassel. Die Zahl 140 besagt, daß wir kein Jubiläum im üblichen Sinne feiern, sondern dieses Datum aus einem anderen Grunde gewählt haben. Sie ist die Verdoppelung jener Jahreszahl, an der der Marburger Geschichtsverein erstmals seiner selber gedachte. 70 Jahre waren seit seiner Gründung bis zu jenem Vortragsabend des 30.Oktober 1909 vergangen, auf dem das geschah. Bevor Archivar Dr. Küch über "Bücking und die Marburger Geschichtsforschung" sprach, berichtete der Vorsitzende, Archivar Dr. Rosenfeld, über die Mitgliederversammlung des Gesamtvereins in Kassel, die, wie er sagte, "zur festlichen Verherrlichung des 75-jährigen Bestehens mit besonderem Glänze umgeben war". Danach bemerkte er, daß auch der Marburger Verein in kurzem ein Jubiläum feiere, denn im Dezember 1839 habe sich die oberhessische Abteilung des Geschichtsvereins ihre erste Satzung gegeben. Sie sei anderen, auch der Kasseler Abteilung, mit Abhaltung von Vorträgen vorbildlich geworden. Das gelte auch, so hätte er hinzufügen können, für die Exkursionen, denn diese sind für den Marburger Zweigverein als ersten, und zwar schon seit dem Sommer 1860, bezeugt.
Nun, dieses angedeutete 70-jährige Jubiläum hat ebensowenig stattgefunden wie die 75. Wiederkehr des Marburger Gründungstages am 29. Dezember 1914, denn da war der erste Weltkrieg hereingebrochen. So dauerte es 80 Jahre, bis der Marburger Verein erstmals auch öffentlich von sich selber sprach, jedoch auch nur in Form eines einfachen Rückblicks von Archivrat Knetsch in der Marburger Kulturzeitschrift "Hessenland" Anfang 1920. Das erste und bisher einzige Jubiläum feierte der Verein an seinem 90. Geburtstag 1929 durch eine Festversammlung im großen Hörsaal der Universität, auf der wiederum Geheimrat K ü c h, diesesmal über "Bürgerliches Leben im mittelalterlichen Leben Marburg" sprach. Zum 100-jährigen Bestehen des Vereins 1939 erschien dann - und zwar schon in der Juli/August-Nummer der Zeitschrift "Hessenland" - nochmals ein Rückblick auf den äußeren Ablauf der Vereinsgeschichte. Darin wiederholte der Vorsitzende Studienrat Kürschner im wesentlichen den Artikel von Knetsch, ging aber auf die damaligen, für den Verein höchst prekären Verhältnisse nur mit wenigen zeitüblichen Worten ein, wobei er es nicht unterließ, den starken Mitgliederschwund infolge der "höheren Ansprüche des Staates an Zeit und Geld der Volksgenossen" lebhaft zu beklagen. Die 100-Jahr-Feier selbst fand ihren Höhepunkt in einer festtäglichen Kaffeetafel im Gasthaus Seebode auf dem Frauenberg. Zu ihr hatte Amtsgerichtsrat v. Baumbach eine Anzahl von Mädchen und jungen Frauen aus den Dörfern des Ebsdorfer Grundes und des Amöneburger Bezirks geladen, die nun in ihren prachtvollen Trachten die Versammlungsteilnehmer bewirteten. Es war ein unvergeßlicher Eindruck, den Schönheit und Würde dieser jungen Frauen bei allen hinterließ. Wer von uns hätte auch nur ahnen sollen, daß es ein Abschied auf immer war. Nur wenige Wochen später tobte der zweite Weltkrieg.
Nach 1939 schwieg der Verein weitere 40 Jahre über sich, um heute im 140. Jahr seines Bestehens einen dritten öffentlichen Rückblick zu versuchen. Diese Rückschau hat allerdings nicht die Absicht, das von seinen Vorsitzenden Knetsch und Kürschner 1920 und 1939 bereits Ausgeführte mit anderen Worten zu wiederholen, sondern möchte andere, eigene Wege durch unsere Vergangenheit gehen. Dabei mögen Sie einiges Erwartete vermissen, aber vielleicht einigem weniger Bekannten begegnen.

 

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