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deutschen Nationalliteratur, die 1894 bereits in 24. Auflage vorlag, hat das klassische Literaturverständnis der gesamten bürgerlichen Welt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt. Nachdem Justi 1846 gestorben und Vilmar 1850 nach Kassel versetzt worden war, stagnierte das Vereinsleben, was auch die Mitgliederzahlen deutlich machen, die weit hinter der des Kasseler Vereins zurückblieben. Sie betrugen von der des gesamten Vereins zunächst etwa 10%, bewegten sich dann aber bis auf etwa 14%. Um 1842 hatte Marburg 29 Mitglieder, der gesamte Verein 233, 1858 waren es 34 von 305. Offensichtlich als Reaktion auf den Untergang Kurhessens verdoppelte sich die Marburger Mitgliederzahl 1868 auf 66 von insgesamt 575 und noch belebender wirkte sich die Reichsgründung von 1871 aus, denn in den darauf folgenden Jahrzehnten erfolgte der große Sprung. Die Marburger Mitgliederzahl verdoppelte sich abermals, hatte 1880 die Stärke von 138 Personen von 939 des gesamten Vereins und stieg 1884 auf 153 von insgesamt 1226 Mitgliedern. Seitdem bewegte sich die Marburger Mitgliederzahl auf 200 zu, die 1914 überschritten wurde. Ihren absoluten Höhepunkt erreichte sie 1925 mit 300 Personen, offensichtlich wieder durch Verhältnisse der Zeit, insbesondere die schweren frühen zwanziger Jahre, bestimmt; dann zehrten das Elend der großen Wirtschaftskrise, dem 1931 sogar die Jahreshauptversammlung des Gesamtvereins in dem besonders hart betroffenen Eschweg zum Opfer fiel, und darauf die trotz aller gegenteiligen Beteuerungen so andersartigen Ambitionen des dritten Reichs den Bestand so weitgehend auf, daß er 1937 fast halbiert auf 170 Mitglieder zurückgesunken war. Das zeigt, daß man ihn kaum noch für zeitgemäß hielt, ja man hat ihn offenbar im Grunde als eine typisch bürgerliche und damit überwundene Einrichtung erachtet - so sehr sich auch der Vorsitzende des Hauptvereins 1933 (Wilhelm Hopf) angestrengt hatte, das Gegenteil zu beweisen -, so daß sich der Marburger Verein nicht einmal zu den zeitüblichen Akklamationen genötigt sah und noch weniger zu dem damals üblichen grundsätzlichen Programm- und Führungswechsel. Sein Vorsitzender Kürschner, der dieses Amt seit 1922 innehatte, behielt es bis 1945. Gleichwohl bedingte das Ende des zweiten Weltkrieges auch das Verbot unseres Vereins, da der Besatzungsmacht der Unterschied zwischen Heimat- und Staatsbewußtsein nicht klar sein konnte, denn was wußte man damals schon von der Geschichte des Vereins, ja von Hessen? Das 2½ Jahre währende Verbot des Vereins bedeutete jedoch nicht sein Ende. Er erkämpfte sich seine Wiederzulassung, die am 28. November 1947 erfolgte, denn seine Zwecke waren nach wie vor untadelig und seine Lebenskraft war ungebrochen. 1952 umfaßte er wieder 142 Mitglieder von 570, das waren 25% des gesamten Vereins und damit ein Anteil, den er vorher noch niemals gehabt hatte. Was die Archivare Gutbier und Uhlhorn als Vorsitzende in diesen Jahren für den Verein geleistet haben wollen wir sobald nicht vergessen.
Um jedoch den Hauptverein wie den Zweigverein als Gesamterscheinung seinem Wesen und Wollen nach angemessen würdigen zu können, müssen wir über die Zahlen hinaus tiefer dringen und nicht nur fragen, wie viele, sondern wer die Personen waren, die sich von den Zielsetzungen des Vereins angesprochen fühlten und ihm beitraten. Um das beurteilen zu können, müssen wir die Vereinsziele verdeutlichen. Der Gründungsaufruf, den Landau, Rommel, Bernhardi und Schubart am 16. August 1834 in Kassel veröffentlicht hatten, forderte auch für Kurhessen nach dem Vorbild anderer Länder einen Verein zur Förderung der Kenntnis der heimischen geschichtlichen Vergangenheit, um das, wie er sagte, "für jeden einzelnen unermeßliche Feld der deutschen Geschichtsquellen" im hessischen Bereich mit vereinten Kräften zu erforschen, "das Gefundene zu sichten, zu ordnen und mit der dazu erforderlichen geschichtlichen und geographischen Ortskenntnis zu erläutern und in sachgemäßer Auswahl zu veröffentlichen oder doch dem Geschichtsschreiber zugänglich zu machen".
Auf Grund dessen formulierte die erste Satzung als Zweck des Vereins (Hauptverein) die allseitige Erforschung und Darstellung der Geschichte, Topographie und Statistik von Hessen. Als ihre Gegenstände bezeichnete sie die natürliche Beschaffenheit des Landes und seiner Erzeugnisse, die Verhältnisse der Bewohner, ihre Sprache, Sagen und Lieder, die Geschichte des Volkes, der Fürsten, Geschlechter und Ortschaften, die Gerichtsverfassung, das Kirchenwesen, die Güterverhältnisse, die

 

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