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städtischen Freiheiten, das Zunft- und Genossenschaftswesen, die Gewerbe und die bürgerlichen und bäuerlichen Lebens- und Wirtschaftsformen, aber auch die Rechtsaltertümer, die Gebräuche und Feste, die Fortschritte und Leistungen der Wissenschaften und Künste und überhaupt alles, was dazu dienen könne, ein möglichst zutreffendes und vollständiges Bild vom Zustand des Vaterlandes in den verschiedenen Zeiten zu entwerfen. Dazu aber werde der Verein darauf bedacht sein, die alten Denkmäler und Urkunden zu sammeln und soweit tunlich zu erhalten.
Mit diesem Programm legte der Hauptverein nicht nur die Grundlage zur gesamten künftigen landesgeschichtlichen und landeskundlichen Forschung in ihrem weitesten Begriff bis in ihre jüngsten sozialgeschichtlichen Verästelungen, sondern auch zum Schutz und zur Erhaltung der Denkmäler unserer Vergangenheit, wie es heute das Tun und Trachten weitester Kreise bestimmt. Das Entscheidende ist aber, daß es nicht bei dieser Absicht geblieben ist, sondern daß sie, soweit die Kräfte des Vereins reichten, verwirklicht wurde. Das Ergebnis dieses Vorhabens sei in wenigen Sätzen zusammengefaßt. Der Verein wurde durch seine wissenschaftliche Tätigkeit zum ersten und lange Zeit einzigen Träger landesgeschichtlicher und volkskundlicher Forschungen im weitesten Sinne und bot in seiner Zeitschrift mit ihren Supplementbänden und Mitteilungen jahrzehntelang die einzigen Publikationsmöglichkeiten. Der Verein hat die Pflege der vorgeschichtlichen Bodenaltertümer und die der mittelalterlichen und neueren Bau- und Kunstdenkmäler in unserem Lande nicht nur von Beginn an propagiert, sondern auch verwirklicht, indem er die ersten Konservatoren und Denkmalpfleger bestellte, die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen veranstaltete und erstmals die kostbarsten Baudenkmäler des Landes vorgestellt und zugleich wiederherstellen ließ, soweit er es vermochte. Er hat durch seine umfassenden Sammlungen althessischer Kunst und von Gebrauchsgegenständen die Grundlagen zu den großen landeskundlichen Museen in Kassel und Marburg und zu zahlreichen örtlichen Heimatmuseen gelegt. Damit aber hat er erstmals in umfassender Weise die Besinnung der Hessen auf sich selber verwirklicht und sie zugleich in schriftlicher Darstellung und gegenständlicher Darbietung in Publikationen und Museen ins allgemeine Bewußtsein gerückt. Eine so umfassende und tiefdringende Kenntnis unseres Landes und seiner Geschichte, seiner Bevölkerung und seiner Kultur, wie wir sie heute besitzen, wäre ohne sein Wirken unmöglich gewesen.
Diese Aufgaben waren allerdings derart, daß nicht jedermann in der Lage war, daran mitzuwirken; aber auf unmittelbare Mitwirkung möglichst aller Vereinsmitglieder an den aufgezeigten Aufgaben war die Vereinsabsicht von vorneherein abgestellt. Dadurch wurde die Mitgliedschaft auf Grund der örtlichen Gegebenheiten bestimmt und war deshalb in den einzelnen Zweigvereinen unterschiedlich. Am stärksten wich der Marburger Zweigverein von der Norm ab, denn hier war über das sammelnde und sichtende Element hinaus die gelehrte Komponente jahrzehntelang dominierend.
Von den neun Marburger Männern, die als erste bereits 1834 dem Verein in Kassel beitraten, waren 8 Professoren, dazu kam der Gymnasialdirektor. Die Mitgliederliste des Zweigvereins von ca. 1842 mit 29 Personen weist 16 Professoren, 5 Lehrer, 2 Geistliche, 2 Justiz- und 2 Medizinalräte, einen Offizier und den Oberbürgermeister der Stadt aus. Zehn Jahre später 1852 waren von den 27 Marburger Mitgliedern wiederum 16 Professoren, dazu kamen 3 Lehrer, 2 höhere Justizbeamte, 3 Geistliche und je ein Offizier, ein Arzt, ein Rittergutsbesitzer und der Landbaumeister. Abermals 10 Jahre später 1862 hatte sich der im Geschichtsverein mitwirkende Personenkreis zwar merklich erweitert, wurde aber noch immer eindeutig durch das Übergewicht der Professoren bestimmt, denn von 51 Mitgliedern waren 23 Professoren, das war fast die Hälfte. Hinzu kamen 8 Gymnasiallehrer. Unter den restlichen 20 Mitgliedern befanden sich jetzt aber immerhin auch schon Universitätsangestellte, ein Forstmann, ein Buchhändler, ein Apotheker, ein Kammerrat und ein Amtsaktuar. Wiederum 10 Jahre weiter 1872 bietet sich fast dasselbe Bild, noch immer überwiegen Professoren und Gymnasiallehrer bei weitem, dazu traten nunmehr die Archivare, an Zahl zwar gering, aber von wachsender Bedeutung für die Vereinsarbeit. Erst mit dem großen Mitgliedersprung von 74 auf 138 Personen im Jahr 1880

 

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