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Kreis Marburg verzichtete und sich darüberhinaus bereit erklärte, aus den Beständen des Museums ergänzende Stücke an Marburg abzugeben. Nach dieser generellen Einigung setzte sich der Kampf bei der Auswahl der einzelnen, speziellen Stücke fort, bis er schließlich 1913 zu Ende gebracht und ein Vertrag mit der stückweisen Verzeichnung der abzugebenden Exponate abgeschlossen wurde. Die Genehmigung dieses Vertrages durch den preußischen Kultusminister am 16. Dezember 1914 setzte aber noch immer nicht den Schlußpunkt, denn Kassel blieb bis mindestens 1917 mit seinen Gegengaben im Rückstand. Dann ging der Streit in der Not der letzten Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre unter.
Zu seiner gerechten Beurteilung muß aber auch noch einer anderen, damit zusammenhängenden Belastung gedacht werden, an der zuerst der Marburger, dann der Hauptverein schwer zu tragen hatte. Das war die Bickellsche Erbschaft. Bickell, der keine direkten Erben besaß, hatte sein Haus am Kalbstor und seine eigenen Sammlungen dem Verein zugedacht. Er hatte dieses mehrfach öffentlich erklärt und auch schriftlich, aber formlos niedergelegt. Es bestand daher bei seinem Tode 1901 kein rechtsgültiges Testament, so daß die entfernten Verwandten Bickells Erben wurden. Nach langen Bemühungen des Marburger Vorstandes im Verein mit dem Amtsgericht stellte man fest, daß es 28, in aller Welt verstreute anspruchsberechtigte Erben gab, die je nach Verwandtschaftsgrad verschiedene Anrechte besaßen. Mit ihnen allen mußte verhandelt werden. Ein Teil von ihnen trat seine Ansprüche unentgeltlich an den Verein ab, ein anderer Teil ließ sie sich mit einem Teil des Wertes abkaufen, ein dritter bestand auf der vollen Erstattung des Wertes. Das kostete Geld, noch mehr erforderte das baufällige Haus in der Kugelgasse, das kostspieliger Reparaturen bedurfte und zudem mit beträchtlichen, hochverzinslichen Hypotheken belastet war. Dem war der Marburger Verein nicht gewachsen, so daß er nach vier Jahren 1905 die Erbschaftsregelung dem Vorstand des Hauptvereins in Kassel übertrug. Dieser hat sich jahrelang weiter damit herumschlagen müssen, wobei es zu dem abenteuerlichen Vorfall kam, daß das Bickellsche Haus, nachdem es endlich verkauft war, nicht aufgelassen werden konnte, weil das Marburger Amtsgericht den von ihm selber ausgestellten Erbschein für ungültig erklärte, so daß die ganzen Verhandlungen mit den Erben noch einmal erforderlich waren, was wiederum größte Schwierigkeiten machte, vor allem wegen der in vielen Fällen rechtlich unzureichend beglaubigten Erbenerklärungen aus dem Ausland. Es war ein Drama für sich, das erst nach vollen 13 Jahren am 4. Juli 1914 - und damit unmittelbar vor Ausbruch des ersten Weltkrieges und d.h. international vor Toresschluß - durch die rechtsgültige Auflassung des Bickellschen Hauses an den Käufer - den Maler Kuschmann - und die Verabfolgung der Bickellschen Sammlung an den Verein zu einem guten Ende gebracht werden konnte.
Was das weitere Schicksal der Sammlungen betrifft, so wissen Sie, daß der in Marburg verbliebene Bestand 1927 als Leihgabe an das neuerrichtete Universitätsmuseum übergeben wurde, dort seitdem vorbildlich betreut wird, den Krieg überstand und weitgehend zugänglich ist. Was mit dem nach Kassel abgegebenen und vom dortigen Landesmuseum übernommenen Teil der Vereinssammlungen in und seit dem zweiten Weltkrieg geschah, ist ein noch ungeschriebenes Kapitel. Ich will hier nur noch eine Folge dieser Sammlungsaufteilung und getrennten Aufstellung erwähnen. Auf Grund der Überführung der im hiesigen Universitätsmuseum aufgestellten Gegenstände aus dem Besitz des Hauptvereins in den des Marburger Zweigvereins sah sich dieser genötigt, sich vereinsrechtlich vom Hauptverein zu lösen und den Status eines eigenen, eingetragenen Vereins anzunehmen. Das geschah am 20. März 1937, doch blieb Marburg auch als rechtlich selbständiger Verein weiterhin im Verband des gesamten Vereins, zumal 1938 der Streit um den musealen Vereinsbesitz durch die Rückgabe gegenseitiger Leihgaben zwischen dem Kasseler Landesmuseum und dem Marburger Universitätsmuseum in einer Weise beendet werden konnte, die, wie der Marburger Museumsleiter erklärte, "beide Seiten besonders befriedigt hat".
Nun zu Ende meiner Ausführungen scheint es mir auf Grund meiner Darstellung nicht nur gerechtfertigt, sondern aus Dankbarkeit auch geboten, derer zu gedenken, die

 

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