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    - "Alltagsgeschichte" ist ein sympathisierendes Versenken in "Eingeborenenprobleme"

    - "Alltagsgeschichte" erklärt nichts: Theorie läßt sich nicht den Objekten der Theorie entnehmen.

    - "Alltagsgeschichte" verrät die Einsicht in die gesamtgesellschaftlichen Mächte, öffnet die "mikrohistorische Besenkammer" eines verfeinerten Historismus, eines Obskurantismus vom Typ "Jeder Alltag ist unmittelbar zu Gott."

    - "Alltagsgeschichte" ist gekennzeichnet durch ein zivilisationskritisches Ressentiment gegen die Modernisierung.

    - Theoriefähigkeit und die Kategorie des Fortschritts in einem Gesamtbild sind unverzichtbar: "Was das Volk am wenigsten braucht, sind volkstümelnde Historiker."

    - "Alltagsgeschichte" ist - daran gemessen - nicht synthesefähig, sie besitzt keine Strukturierungskerne, kein integrationsfähiges Paradigma.

Das polemische Fazit von Hans-Ulrich Wehler: Gewiß kann man Geschichten erzählen, - vom Wohnviertel, vom Dorf. Das aber seien "grünlich schillernde Seifenblasen", fähig nur zur "Buchbindersynthese" in Sammelbänden, ein modischer Trend, überflüssig.

   

Ich habe dies ausgeführt, um die "Geschichtswerkstatt" als Konkurrenz des "Geschichtsvereins" zu kennzeichnen. Ich habe dies ausgeführt, weil hier der politische Standort des 35. Historikertages deutlich wird: Markiert sind hier bei aller Offenheit zur interdisziplinären Zusammenarbeit harte Grenzen, an denen die Beschäftigung mit Geschichte unseriös wird. Die Historiker gruppieren sich und ihre Tätigkeit um die alte "Historische Zeitschrift" einerseits, um die 1975 entstandene Zeitschrift "Geschichte und Gesellschaft" andererseits. Die Geschichtslehrer gruppieren sich um die Zeitschrift "Geschichtsdidaktik" (seit 1976) einerseits und "Geschichte in Wissenschaft und Unterricht" (seit 1949) andererseits. Die letztere Zeitschrift verliert Jahr für Jahr beträchtlich an Abonnenten. Heute schon höher in der Auflagenzahl ist "Geschichte, Politik und ihre Didaktik" (seit 1973), die allerdings in nur vier Heften jährlich erscheint.

   

Die "grünen" "Geschichtswerkstätten" sind eigentlich - wie man so sagt - "out". "Alltagsgeschichte" öffentlich massiv unterstützt, das gibt es nur in Hessen. Hier leitet das HIBS (Hessisches Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung, Wiesbaden) ein Projekt "Hessen im Nationalsozialismus", propagiert "Alltagsgeschichte - ein neuer methodischer Ansatz für die Schule" für die "Planung von Unterricht im Lernbereich Gesellschaftslehre" und vermittelt Kontaktadressen für Geschichtswerkstätten und Kontaktlehrer vor Ort.

Manfred Lissek

 

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