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in westfälischen, Waldecker und Paderborner Landstrichen als Privatlehrer ein zelner oder mehrerer Familien durchschlagen konnte. Hier lernte er die drückenden Verhältnisse jüdischer Lehrer kennen, die bei dürftigem Gehalt als Lehrer, Vorsänger oder gar Schlächter der Gemeinden fungierten, abhängig von der Will kür ihrer Brotgeber.

1d03 fand er in Adorf eine relativ gut dotierte Stellung, die für ihn seinen "Eintritt in die größere (wirkendere) Welt"12) bedeutete, weil sie ihm einen Kreis eröffnete, in dem er seine geistigen Kräfte, die seit seiner Flucht brach gelegen hatten, entfalten konnte. Er fand verständnisvolle Prinzipale, wurde durch den Padberger Landrabbiner gefördert und verkehrte im Hause eines gebilde ten christlichen Beamten, der ihm Bücher aus der Hofbibliothek in Arolsen besorgte, ihn anhielt, "gute Schriften und die deutsche Sprache zu studieren", und ihm so "ein treuer Wegweiser... in die Lesewelt" wurde.13) Bessere Einkünfte lockten ihn 1806 nach Padberg, verführten ihn aber auch, "5-6 Stunden, ja oft ganze Winternächte auf einer einzigen Stelle wie angeschmiedet"14) bei Karten und Würfeln am Spieltisch zu sitzen, so daß er diesen Kreisen 1808 nach Leiberg entfloh.

Hier lebte er in ständigem geistigen Austausch mit einem christlichen Vikar und einem Lehrer eines Nachbarortes, die ihn beide auch im Flötenspiel unterrichteten. In der Erinnerung Büdingers an diese Zeit, kommt der ganze Optimismus der Aufklärung zum Ausdruck: "Hier fanden unsere Seelen sich und sahen hier schon nicht den Christen, nicht den Juden in wechselseitigem Doppelspiegel der Menschenliebe, - den Menschen."15)

Für ein Jahr kehrte er nach Padberg zurück, übernahm dort eine nichtöffentliche israelitische Volksschule mit 16 Kindern in einer niedrigen Stube, rieb sich in den damit verbundenen Amtspflichten auf, lernte die Nächte hindurch Französisch, bis er krank wurde.

1811 war Naumburg seine nächste Station. Er war jetzt 27 Jahre alt und merkte die Grenzen seiner autodidaktischen Studien, über die ihn jetzt nur noch kom petente Mentoren hinwegführen konnten.

Mit sauer ersparten 150 Talern in der Tasche und nach eingehenden Gesprächen mit Freunden in Kassel, vor allem H. J. Rubino aus Fritzlar - er ist später einer der ersten jüdischen Hochschullehrer, Professor für alte Geschichte und klassische Philologie in Marburg - erfüllte Büdinger sich den Traum seines Lebens: Fast 32-jährig, immatrikulierte er sich zum Wintersemester 1815/16 an der Universität Marburg. Hier belegte er Vorlesungen der Theologie, Philosophie, Pädagogik, Geschichte und Mathematik, unter anderem bei Justi, Creutzer, Rehm und Rommel. Mit dem Erlös täglicher Privatstunden in einer jüdischen Familie und materieller Hilfe seines Studienkollegen Rubino, der auch seine Lateinkenntnisse erweiterte, hielt sich Büdinger mühsam über Wasser. Umso mehr Unterstützung erhielt er durch die Marburger Professoren, die ihm Kolleggelder erließen und ihm ihre Bibliothe ken öffneten, vornehmlich durch den Theologen und Philosophen Karl Wilhelm Justi.16) Mit ihm bleibt Büdinger bis an sein Lebensende in Kontakt.

"Herr Professor Justi hat mich während meines Aufenthalts in M. vorzugsweise gütig und menschenfreundlich behandelt. Stets fand ich ihn zuvorkommend, rathgebend und auf jede mögliche Weise fördernd. Ein edler und gelehrter Mann und im höheren Grade vorurtheilsfrei und weniger gegen mein Volk eingenommen, als ich einen an deren Christen kenne.17)

Trotz asketischer Lebensweise reichte das Geld nicht; Anträge auf ein Stipendium lehnten die kurfürstlichen Behörden ab. Als Büdinger nach 3 Semestern das Studium aufgeben mußte, vermittelte ihm Rubino 1817 eine Stelle als Erzieher im Hause des wohlhabenden Kaufmanns Mosenthal in Kassel. Kassel markiert einen Wendepunkt im wechsel vollen Leben Moses Büdingers. Hier verlobt er sich mit der geistreichen, aber schwer gehbehinderten und später beinamputierten Amalie Weil, deren Schwester Mosenthal in zweiter Ehe heiratet.

Diese verwandtschaftliche Bindung öffnet ihm den Weg in die gehobene jüdische Ge sellscnaft. Und hier trifft er auf "den schärfsten Geist"18) der Kasseler Gemeinde, eben Jakob Pinhas.

 

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