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fenster) [Eckfenster], und nacheinander zogen die erst nach dem Krieg beseitigten Denkmäler wieder an ihre alten Plätze: nach den Heerführern Gneisenau, Yorck und Scharnhorst wird gegenwärtig neben der Schinkelsehen Wache das Denkmal des Generals von Bülow-Dennewitz wiedererrichtet. Aus der Einöde an der Leipziger Straße setzte man das Denkmal des Reichsfreiherrn vom Stein hier an "die Linden", um so das preußische Geschichtsbild abzurunden. Sicher entspringen diese Maßnahmen dem Schmuck- und Repräsentationsbedürfnis des selbstbewußter werdenden Staates. So versprach Erich Honnecker kürzlich zur Vorbereitung der 750-Jahr-Feier Berlins (1987): "Zwischen Rostock und Suhl werden die Menschen mit noch größerem Stolz auf ihre Hauptstadt schauen, die kraftvoll und schön ist, ein würdiges Symbol unseres sozialistischen Vaterlandes."

Unübersehbar wird nun, daß dieses Symbol sich zunehmend in den Formen einer fürstlichen Vergangenheit ausdrückt: Wiederherstellung des Gendarmenmarktes mit dem königlichen Schauspielhaus, des Berliner Domes mit dem sorgfältig restaurierten kaiserlichen Treppenhaus; und an anderen Orten: Wiedererrichtung mit allem königlichen Dekor der Oper in Dresden (prunkvolle Einweihung am 13.2.1985), des Großherzoglichen Schlosses in Schwerin u.a. Es bleibt nicht bei der Restaurierung von Kunstwerken, sondern Plakate und Kunstführer mit sorgfaltig differenzierten Texten verbreiten das gewandelte Geschichtsbild. Gestern noch Prototypen des sittenlosen, ausbeutenden Feudalherrn, des preußischen Mili taristen und deutschen Imperialisten, erscheinen August der Starke von Sachsen-Polen, Friedrich der Große von Preußen und Otto von Bismarck jetzt als fortschrittliche Persönlichkeiten ihrer Zeit mit großer Bedeutung für die Gegenwart, überall erfaßt das neue Geschichtsbild auch das Detail und verändert so die kulturelle Atmosphäre.

So teilte das "Neue Deutschland" am 14.6.1985 mit, daß die Schallplatte "Gaudeamus igitur" das bisher als reaktionär verpönte studentische Liedgut mit "Und in Jene lebt sichs bene" und der "Lindenwirtin" als nationales Kulturgut allgemein zugänglich macht. Weihnachten 1985 strahlte das DDR-Fernsehen die vierteilige Serie "Sachsens Glanz und Preußens Macht" aus. Das Geschehen um die Einnahme Dresdens durch Friedrich den Großen diente nur als Anlaß, um die Schönheit und Kultur aus preußischen und sächsischen Schlössern vor den Augen der Zuschauer auszubreiten. Beispiel für das starke Echo der Bevölkerung auf all diese Maßnahmen: 30 000 Bürger Dresdens kauften 1984 Dauerkarten für die staatlichen Kunstsammlungen der Stadt.

Bei der überall im Lande spürbaren Neubelebung historischer Bereiche handelt es sich nicht um eine oberflächliche Nostalgiewelle, wie wir sie aus der Bundesrepublik kennen (das schließt nicht aus, daß diese "Welle" die offiziellen Bemühungen der DDR zusätzlich unterstützt!). Der Wandel in der DDR ist Folge einer geschichtswissenschaftlichen Diskussion, die Jahrzehnte zurückreicht. Sie wurde ausgelöst und zu Ergebnissen gefordert von den großen Jubiläen der Reformations zeit, die für die DDR zentrale Bedeutung haben:

1967: 450 Jahre Reformation (Thesenanschlag Martin Luthers 1517)

1975: 450 Jahre Deutscher Bauernkrieg (1525 Schlacht bei Frankenhausen)

1963: 500 Jahre Martin Luther (1483 Geburtsjahr des Reformators).

Die Festschriften und wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den drei Jubiläen belegen den Wandel, besonders anschaulich die unterschiedliche Wertung der Person und Leistung Martin Luthers im Verhältnis zu Thomas Müntzer. 1967 feierte die DDR ganz in der Tradition von Friedrich Engels' Schrift "Der Deutsche Bauernkrieg" (1848/49) die Reformation als "Frühbürgerliche Revolution". In der offiziellen Festschrift von 1967 zur "450sten Wiederkehr des Beginns der Frühbürgerlichen Revolution in Deutschland" heißt es: "Der 1. deutsche Arbeiter- und Bauernstaat ist aufgrund seines humanistischen Charakters allein berechtigt, das Jubiläum einer fortschrittlichen Tradition aus der deutschen Geschichte, auf die wir stolz sind, zu begehen. Mit dem westdeutschen Staat, dem Hort aller finsteren Reaktion, verbindet uns nichts, und wir weisen alle Versuche zurück ... angebliche gesamt- [gesamtdeutsche]

 

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