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Warum ist Seume so unklar und ungenau in der Schilderung seiner Werbung? Dies läßt sich erklären: Als Seume nach der hessischen Soldatenzeit vier Jahre preußischer Soldat gewesen war (nach seiner Darstellung unfreiwillig), hatte er wieder in Leipzig studiert und wurde dort 1792 Magister aufgrund einer Arbeit, die den im hier gegebenen Zusammenhang bemerkenswerten Titel trug "Die Waffen der Alten, verglichen mit den Waffen der Neuen". Seume befaßte sich auch in der Theorie als Student noch mit der Welt des Militärischen! Er behandelte das Thema noch einmal, als er 1804 dem russischen Kaiser Alexander I. eine Schrift "über Bewaffnung" widmete. Nach dem erneuten Leipziger Studium zog es ihn wieder zur soldatischen Praxis: er wurde russischer Soldat, diesmal ganz zweifellos freiwillig, und avancierte zum Leutnant.

Als er nun 1801/02 sein Werk "Spaziergang nach Syrakus" schrieb, wetterte er darin gegen Tyrannen und gab sehr deutlich seiner republikanischen Gesinnung Ausdruck. Sein bisheriger soldatischer Lebenslauf in fürstlichen Diensten paßte schlecht zu solchen Anschauungen. Er empfand selbst die Unvereinbarkeit und bemerkt dazu: "Man findet es vielleicht sonderbar, daß ein Mann, der zwei mal gegen die Freiheit zu Felde zog, (also gegen die USA als hessischer, gegen Polen als russischer Soldat, d.Vrf.) einen solchen Ton führt". Jedoch sein Schicksal habe eben in den "Verhältnissen seines Lebens" gelegen. Er redet sich also mit den "Verhältnissen" heraus, wie es in mißlicher Situation so weitgehend üblich war und ist.

Das hier zum Ausdruck gebrachte Bedürfnis, sein Verhalten in früheren Jahren mit seinen Anschauungen in den späteren einigermaßen zur Deckung zu bringen, hat mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine Schilderung über seine hessische Werbung beeinflußt und dazu geführt, daß er diese Werbung so unklar und so ungenau beschrieb, daß der Leser, wenn er wollte, eine gewisse Unfreiwilligkeit entnehmen konnte, ohne daß dies Seume jedoch in deutlicher Weise behauptete. Seume ist in anderen Zusammenhängen nicht nur unklar, sondern auch unwahr (Näheres dazu bei Philipp Losch, Soldatenhandel, 1933, S. 39 ff.). Seume taugt also nicht als Kronzeuge für die Richtigkeit der heftigen Anklagen von Herrn Schwarz.

Woher nimmt außerdem dieser die Beweise dafür, daß "abertausende" mit "brutalen Werbemethoden" zum hessischen Soldatendienst "gepreßt" wurden? Grundsätzlich hatte der Landgraf alle gewaltsame Werbung streng verboten. Wenn trotzdem Übergriffe vorkamen, ist anzunehmen, daß die Anzahl gering gewesen ist.

8.

Wenn Herr Schwarz seine polemischen Bemerkungen über den hessischen Subsidienvertrag von 1776 ohne Berücksichtigung der mit ihnen verbundenen historischen Situation macht, so findet solche verzerrende Isolierung eine Erklärung allen falls darin, daß dieser Vertrag wie kein anderer vor ihm und nach ihm Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen war. Sie begannen bei den Beratungen vor der Ratifizierung der mit deutschen Kleinstaaten geschlossenen Subsidienverträge im März 1776 in den beiden Häusern des britischen Parlaments. Hier wurden zuerst die demagogischen Schlagworte vom Menschenhandel für Blutgeld verwendet und in eine weite Öffentlichkeit getragen. Diese Schlagworte wurden in Amerika übernommen, als dort der Unabhängigkeitskrieg in einer in früheren Kriegen unbekannten Weise von einer psychologischen Kriegführung begleitet war, die auf die moralische Vernichtung des Gegners zielte und der zu diesem Zwecke fast jedes Mittel recht war. Hier kam es auf Wahrheit und Gerechtigkeit nicht an. Der bedeutendste Stratege dieser psychologischen Krieg führung, Benjamin Franklin, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich keit der Verfasser des Friedrich II. verleumdenden "Uriasbriefes", der eine einzige Lüge darstellte. Nach dem Kriege wurden diese Schlagworte im Kampfe des deutschen Liberalismus gegen Fürstenwillkür weiterverwendet, nicht zuletzt in Hessen selbst. [...]

Aus dieser Tradition parteipolitischer Polemik und psychologischer Kriegführung stammen also die Schlagworte, die Herr Schwarz noch im Jahre 1985 in einer wissenschaftlich orientierten hessischen Ausstellung verwenden konnte.

 

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