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zimmer [Katalogzimmer] wurde täglich ein tüchtiges Stück Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Davon partizipierten gleichermaßen Gymnasialschüler, die einen Hausaufsatz zu schreiben und Studenten, die eine wissenschaftliche Arbeit anzufertigen hatten und eigentlich immer fündig wurden. Gerade letztere suchten die beiden Kasseler Bibliotheken, zumal in den Semesterferien, besonders gern auf, weil die benötigte Literatur eher hier als etwa in der Marburger, Göttinger oder anderen Universitätsbibliothek präsent und nicht bereits anderweitig durch ihre am gleichen Thema arbeitenden Kommilitonen ausgeliehen war. Dem wissenschaftlich orientierten und arbeitenden Benutzer, in Dr. Schnurres Augen dem Ideal-Benutzer, ließ man jede nur erdenkliche Hilfe angedeihen. Vertreter aller Berufsgruppen, angefangen bei Theologen bis zu Juristen und Geisteswissenschaftlern gaben sich vornehmlich in den Spätnachmittagsstunden (nach ihrem Büro- bzw. Dienstschluß) im Katalogzimmer und der gegenüberliegenden Ausleihe oft genug geradezu ein Stelldichein. Auch auswärts wohnende Benutzer frequentierten die Bibliothek persönlich oder bestellten schriftlich durch die Post.

Im Vergleich zum Alphabetischen Katalog wurde dem Systematischen Katalog ungleich höhere Bedeutung beigemessen. Auch wenn ein Benutzer nur nach einem bestimmten Buchtitel fragte, wurde ihm die Möglichkeit weiterer Information anhand des Systematischen Katalogs empfohlen. Es wäre übertrieben, zu behaupten, der Systematische Katalog wäre ihm förmlich in die Hand gedrückt oder aufgedrängt worden, doch stimmt es, daß der Benutzer oft einwilligte und sich in den gereichten Katalog vertiefte, was zur Folge hatte, daß er zusätzliche Literatur bestellte. Es ist mir nicht bekannt, ob es noch eine andere wissenschaftliche Bibliothek gibt, in der die Kataloge nicht frei zugänglich sind. es handelte sich hier um eine Besonderheit der Murhardschen Bibliothek, die, wie ich darzustellen versuchte, durchaus ihren Sinn hatte. Fazit ziehend, bleibt festzustellen und anzuerkennen, die Murhardsche Bibliothek leistete sich mit beachtlichem Erfolg diese benutzerspezifische Form der Öffentlichkeitsarbeit. Man kann sogar sagen, sie wurde so zum unverwechselbaren Kennzeichen, zum Aushängeschild.

Quasi als Hospitant verrichtete ich am Schluß meines ersten Ausbildungsjahres in der Landesbibliothek zusammen mit dem dort praktizierenden Herrn Möller die verschiedenen, täglich anfallenden bibliothekarischen Arbeiten. Bibliotheksdi rektor Dr. Wilhelm Hopf und das übrige Bibliothekspersonal ließen uns dabei viel freie Hand. Man verfolgte, selten eingreifend, eher wohlwollend beobachtend, unser geschäftiges Tun. Wir waren ja schon nahezu Einjährige. Da glaubte man, - Einigkeit macht stark -, bisweilen sich schon einiges erlauben zu können, die eingefahrenen Geleise verlassen zu können, um dies oder jenes betont anders zu arrangieren als bis dato üblich.

Zum Schluß meines Erinnerungsberichts ein kurzes Resümee: In dem einen Jahr wurde ein solider Fundus gelegt. Wenn auch nicht alles als optimal zu bezeich nen war, es gab besonders Nachholbedarf in puncto Titel aufnahmen gemäß PI, Lücken in der Kenntnis der Bibliographien, so überwogen doch die positiven Eindrücke, das vermittelte bibliothekarische Wissen als unverzichtbares Rüst zeug.

Die Weichen waren ein für allemal richtig gestellt. Es stimmten Anleitung und Einweisung, gute Voraussetzungen für den weiteren beruflichen Bildungsgang. Ich habe nie bedauert, gerade an der Murhardschen Bibliothek für meinen später auszuübenden Beruf praktisch ausgebildet worden zu sein.

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