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und Greueltaten der Sowjetrussen" vorgehalten; besser wäre es, nicht mehr über das Vergangene zu reden und zu schreiben, wo doch andere Völker über ihre Greueltaten "an uns" auch schwiegen. Hierbei muß es sich um eine verbreitete und um eine sehr hartnäckig vertretene Auffassung handeln, denn sie ist allen Autoren unserer Schriftenreihe in irgendeiner Form begegnet.
 

In besonders aggressiver Weise hat dies auch Manfred Klüppel erfahren, der seine Staatsexamensarbeit über die sogenannten Euthanasie-Aktionen in den nordhessischen Heilanstalten Haina und Merxhausen geschrieben hat. Seine Arbeit erschien im August 1984 (erste Auflage: 1.000 Ex.). M. Klüppel hatte in einem Leserbrief zum Umgang mit dem Nationalsozialismus Stellung genommen. Daraufhin erhielt er neben anonym zugesandtem rechtsradikalem Propagandamaterial sieben Leserbriefe, von denen fünf ihm heftig widersprachen. Einige Auszüge hat M. Klüppel veröffentlicht (M. Klüppel, a.a.O., S. 74 ff.), u.a. den folgenden: "Im Laufe der 80er Jahre will der Russe Westeuropa übernehmen. Sie können sich dann mit dem Russen über Recht und Unrecht auseinandersetzen. Dann erst gehen Ihnen die Augen auf. ... Für Ihr deutsch-feindliches Wirken werden Sie sich noch zu verantworten haben".
  

Anfang Oktober 1984 erschien die Studie des Lehrers Dieter Vaupel über "Das Außenkommando Hessisch Lichtenau des Konzentrationslagers Buchenwald 1944/45" (erste Auflage 1.500 Ex.), in dem zum ersten Male in der örtlichen Geschichtsschreibung etwas über dieses KZ-Lager und über die Munitionsfabrik Hirschhagen niedergeschrieben war, womit nun jeder im Ort sich über diese Zeit informieren konnte. Aus dieser Arbeit sind beeindruckende Treffen ehemaliger KZ-Gefangener und Zwangsarbeiter in Hessisch Lichtenau hervorgegangen, an deren Finanzierung sich die Stadt und das Land beteiligt haben. Dieter Vaupel hat umfangreiche Quellen (vor allem Briefe ehemaliger KZ-Gefangener) erschlossen und wird voraussichtlich im nächsten Jahr seine gegenwärtig von ihm betriebenen vertiefenden wissenschaftlichen Untersuchungen abschließen. Den Anstoß für seine umfangreichen, inzwischen vierjährigen Untersuchungen bildete ein gemeinsam mit Schülern durchgeführtes Projekt lokaler Spurensicherung.
  

Auf solche "Schülerprojekte" gingen auch die folgenden beiden Hefte zurück: "Als jüdische Schülerin entlassen" (zuerst im November 1984 erschienen) war der Titel einer Studie, die Dietrich Heither und Bernd Pieper gemeinsam mit ihrem Lehrer Wolfgang Matthäus über die Geschichte der jüdischen Schülerinnen ihrer Schule, der Kasseler Heinrich-Schütz-Schule, schrieben. Sie fanden viele Zeugnisse der ehemaligen Schülerinnen (Briefe, Literarisches). "Durch ihren auf eine Schule begrenzten Untersuchungsraum und in ihrer lokalen Vertrautheit haben die Autoren, entgegen einer weit verbreiteten Erwartung vom Wert der Lokalgeschichte, die Schicksale der jüdischen Schülerinnen nicht faßbarer oder gar begreifbarer gemacht, sie haben vielmehr unfaßbare Geschichten gesammelt und aufgeschrieben", formulierte Horst Steffens in seinem Vorwort.
  

Am Fritzlarer Gymnasium hatte sich zur gleichen Zeit ein Kurs mit der Geschichte ausländischer Zwangsarbeiter, vor allem in den umliegenden Dörfern, befaßt und die Ergebnisse dieser Spurensuche beim Schülerwettbewerb Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten eingereicht. Die Anerkennung für ihre Arbeit "Lebensskizzen zwangsverpflichteter und kriegsgefangener Ausländer im Raum Fritzlar-Ziegenhain" (erschienen im Juni 1985; Auflage 1.500 Ex.) in Bonn war hervorragend (die Schüler wurden mit dem vierten Preis ausgezeichnet); schwieriger war es, in der seinerzeit einzigen Fritzlarer Buchhandlung ein Exemplar - auch nur kommissarisch - zu "landen". Der Buchhändler lehnte ab und verwies uns aus seinem Laden ... Ähnliches mußten wir, wenngleich in höflich-kalter Tonart, in Bad Sooden-Allendorf in einer Buchhandlung erfahren; dort teilte man uns zu unserem großen Erstaunen mit, daß das, "war der Herr Vaupel da geschrieben hat", doch jedermann hier in der ganzen Gegend seit "ewigen Zeiten" bekannt sei. Es handele sich sozusagen um "olle Kamellen", die man der Kundschaft nicht anbieten könne. Die

 

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