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gungen [Berechtigungen] dem Seminar zur Anerkennung durch den neuen Staat. Diese formale Gleichstellung mit den christlichen Seminaren ist notwendig für sein Weiterbestehen; mit ihr sind aber auch insofern Belastungen verbunden, als es in der Folgezeit dem Zwange unterworfen ist, den Maßstäben der staatlichen Seminare zu genügen.

1868 erfährt es eine Erweiterung, als es auch die Ausbildung der Lehrer des ehemaligen Herzogtums Nassau übernimmt. Diese Übernahme hatte der Lehrer Dr. Jakob Stein mit dem Rabbiner Dr. Hochstätter eingefädelt, der in Bad Ems ein staatlich subventioniertes, aber dürftiges Seminar unterhielt. Als die Regierung in Wiesbaden die bisherige Unterstützung aus der Regierungskasse weiterhin zusichert, erklärt das Vorsteheramt, daß der Aufnahme nassauischer Schulaspiranten nichts im Wege stehe.1 Ein Jahr später treffen die ersten in Kassel ein. Damit wird der Einzugs- und Wirkungsbereich des Kasseler Seminars über die Grenzen Niederhessens hinaus ausgeweitet.

Das größte Ereignis für das Seminar fällt in das Jahr 1868/69. Schon bei seinem Dienstantritt hatte Dr. Jakob Stein die Einrichtung des Konvikts begrüßt, aber bemängelt, daß die Zöglinge des Seminars zwar zusammen wohnten und speisten, jedoch jeder Beaufsichtigung entbehrten, so daß sie jeder Zeit der Gefahr des sittlichen Untergangs ausgesetzt waren.2 Eine Aufsicht hält er für nötig, denn die erziehliche Einwirkung auf junge Leute in dem Alter unserer Seminaristen, die zweckmäßige häusliche Leitung, ist in jedem Institute, besonders aber in einer Bildungsanstalt für künftige Lehrer so wichtig, daß in Ermangelung derselben es sehr fraglich ist, ob ein Convict wirklich eine Wohlthat sei.3

Diesem Mangel hilft der Privatier Jeremias Rothfels ab, den Dr. Stein zu den edelsten und vortrefflichsten Menschen seiner Zeit zählt.4 Ich rechne diejenigen Stunden zu den schönsten meines Lebens, in welchen ich mit Rothfels, dem geistreichen Kenner auch der jüdischen Literatur, mich unterhalten und über die Verhältnisse des Seminars reden konnte.5 Diese Gespräche führen dazu, daß Rothfels eine Schulstiftung mit einem Grundkapital von 25 000 Thalern ins Leben ruft, mit deren Hilfe Gebäude errichtet werden sollen, die dem Seminar zur bleibenden Wohnstätte dienen.6 Eine geringfügige Miete und die Zinsen des Stiftungskapitals sollen den israelitischen Lehrerwitwen und den emeritierten unterstützungsbedürftigen Lehrern zugutekommen. Ein gleichhohes Kapital zur Förderung des israelitischen Schulwesens7 setzt sein Schwager Ruben Samson Goldschmidt aus.

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1 StAM, Best. 152, Pr.-Sch. Nr. 2151.

2 Stein, Jakob: Bericht über 25jährige Amtsthätigkeit von d. Dirigenten d. israelit. Seminars zu Cassel, Cassel 1891, S. 18.

3 Ebd., S. 18.

4 Ebd., S. 19. Weitere Schenkungen führt Stein S. 26 ff. auf.

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7 Ebd.

 

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