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Witzenhausen im Dritten Reich

 

Der Geschichtsverein Witzenhausen befaßt sich seit einigen Jahren ausdauernd und zielstrebig mit der Geschichte der Stadt im Dritten Reich. Das geschieht in einer Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig zur Diskussion von Quellen und zum Gespräch mit Zeitzeugen trifft, und in einer Reihe öffentlicher Vorträge, die jeweils zwischen 130 und 180 Zuhörerinnen und Zuhörer finden. Eine solche Arbeit dürfte auch in Geschichtsvereinen nicht alltäglich und nicht selbstverständlich sein; sie hat ihre Anstrengungen und Probleme, aber auch ihre Erfolge. Die folgenden Hinweise sind für andere Zweigvereine möglicherweise nützlich. Der Berichterstatter steht zum Erfahrungsaustausch gern zur Verfügung.

Es begann 1993 mit einem Vortrag „Witzenhausen 1933". Zuvor war geklärt, daß die Stadt selbst keine Veranstaltung zu diesem unseligen „runden" Datum planen würde, sondern dies gern dem Geschichtsverein überließ. Das wiederum war nicht etwa eine Distanzierung: Der Bürgermeister eröffnete die Versammlung und begrüßte ausdrücklich die Thematisierung des auch für Witzenhausen schmerzhaften Kapitels. Diskussionen im Vorfeld und Presseankündigungen hatten bald erkennen lassen, daß diese erste öffentliche Erörterung des Themas „vor Ort" auf starkes Interesse treffen würde. Der Beschluß, in die Aula der Beruflichen Schulen zu gehen, erwies sich als richtig: Der große Raum war mit 140 Personen aller Altersgruppen dicht gefüllt, die Spannung greifbar, die anschließende Diskussion lang und intensiv.

Referent war der Verfasser dieser Zeilen. Er zeichnete die „Machtergreifung" der Nationalsozialisten in Witzenhausen in Einzelschritten nach, analysierte die Wahlergebnisse von 1932/33, schilderte die Ausschaltung der kommunalen Selbstverwaltung und die „Gleichschaltung" des öffentlichen Lebens und ging der Frage nach, wie eine (in Witzenhausen seit 1928 aktive) völkische Splittergruppe innerhalb weniger Jahre zur stärksten politischen Kraft werden und innerhalb weniger Wochen fast widerstandslos die demokratischen Strukturen beseitigen konnte. Eine rassistische Ideologie mit populistischen Feindbildern, so ein Fazit, hatte sich schon vor 1933 in vielen Köpfen „eingebürgert"; und nun akzeptierten und tolerierten Mehrheiten einer Gesellschaft gewaltförmige Formen der politi- [politischen]

 

 

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