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II. Melchior Rinck - der evangelische Prediger

Zu Pfingsten dieses Jahres wird Melchior Rinck erstmals in Hersfeld erwähnt: als Kaplan des Stadtpfarrers, als ein Priester also, der den Pfarrer beim Lesen der Messe unterstützt. Melchior Rinck muss daher in der Zeit zwischen 1516 und 1523 die Priesterweihe empfangen haben. Zu dieser Zeit war die Lehre Luthers im Sinne des „sola fide“ - „allein durch den Glauben" in Hersfeld bereits bekannt. Nach einem zeitgenössischen Bericht eines Hersfelder Bürgers hat um die Jahreswende 1520/21 - drei Jahre nach Luthers Thesenanschlag und sechs Jahre vor dem Beschluss der Synode zu Homberg - der Pfarrer Heinrich Fuchs in der Hersfelder Stadtkirche evangelisch gepredigt. Er predigte jedoch das Evangelium nicht nur „lauter und rein", sondern griff auch die damalige Praxis des alten Glaubens an: „zur Seligkeit (hülfen) nicht Mönche, Nonnen, Pfaffen, Kutten, Tonsur ... nicht Abendgebete noch Seelenmessen ... wie man es jetzt in der Kirche tue". Welche Wirkung solche Angriffe bei einem Gemeinwesen haben mussten, das wie Hersfeld mit seinen damals vielleicht 1000 Einwohnern nicht nur innerhalb seiner Mauern eine Stadtkirche, in einem vom übrigen Stadtgebiet ausgegrenzten Bezirk ein Benediktinerkloster, ferner eine Franziskaner-, eine Augustiner- und eine Dominikanerterminei sowie Kapellen ohne Zahl hatte, sondern auch außerhalb auf den vorgelagerten Bergen ringsum weitere Tochterklöster, so dass in und um Hersfeld viele Priester und Mönche lebten, die ihren Unterhalt mit dem Zelebrieren von Messen für das Seelenheil der Verstorbenen bestritten, lässt sich leicht vorstellen: Unsicherheit und Unruhe in Glaubensfragen! Fand die neue, von Heinrich Fuchs vermittelte Lehre anfangs breite Zustimmung in der Bevölkerung - einige Kaufleute und Messpriester ausgenommen -, ja auch dann noch, als Heinrich Fuchs sich über den Zölibat hinwegsetzte, indem er im Mai 1521 als einer der ersten Priester überhaupt heiratete und nach dem Tode seiner Frau 1523 ein weiteres Mal eine Ehe einging, so trat im selben Jahr ein Wandel in der öffentlichen Meinung ein, als Melchior Rinck die Kanzel bestieg. „Danach, als der fromme und wohlgelehrte Herr Melchior Rinck, des Pfarrers Kaplan, begann", so der oben erwähnte Bürger aus Hersfeld - „im 23. Jahr um Pfingsten das Evangelium zu predigen mit der Schärfe und ohne alle Falschheit - da begannen die Vikare und Selbstfrömmlinge und die Werk-Heiligen ... sehr zu rasen und zu toben.“ Die Anhänger der neuen Predigt radikalisierten sich; es kam zu Konflikten. So warf Abt Kraft Myle in einer späteren Klageschrift Heinrich Fuchs und Melchior Rinck vor, 1. „das

 

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