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Der Verlust der „Germania sacra“

Mit der Säkularisierung und der Mediatisierung vor 200 Jahren befasste sich Wolfgang Burgdorf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität München, in zwei Beiträgen für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am 25. Februar (Nr. 47) „Ja, das Reich! Wollte nie ein Anachronismus sein" und am 23. Juni (Nr. 142) „Die erste Kulturbetriebsstillegung“.

Die öffentliche Meinung gegen Ende des 18. Jahrhunderts habe sich, so der Autor, nicht zuletzt infolge der „in der preußischen Kriegspropaganda der drei Schlesischen Kriege formulierten Angriffe auf die geistlichen Fürsten“ dahingehend gewandelt, dass man eine Auflösung der geistlichen Fürstentümer - der „Germania sacra“ - nicht nur erwartete, sondern geradezu forderte; den „Gesandten der untergehenden Germania sacra“ in Regensburg sei kaum mehr geblieben als ihr besonderes Interesse „an den versorgungsrechtlichen Bestimmungen für das Personal der säkularisierten Territorien“ (Nr. 47) wahrzunehmen. Denn: „In den katholischen Territorien gab es eine Vielzahl von kirchlichen Versorgungsanstalten für alle Stände, die im protestantischen Reich fast gänzlich fehlten. ... Das Äquivalent zu diesen katholischen Versorgungsanstalten waren hier die stehenden Truppen. Dass auch mindermächtige Stände wie Hessen-Kassel, selbst Hanau oder Sachsen-Weimar als Militärunternehmer fungierten, kam in den katholischen Territorien kaum vor. Hier verschwanden die Menschen“ - auch die Söhne und Enkel rechtschaffener Protestanten - „in den Institutionen der katholischen Kirche, was für die Betroffenen ohne Zweifel angenehmer war“ (Nr. l 42) als eine „Versorgung“ in der Armee. Daher sei auch der Steuerdruck in der Germania sacra geringer gewesen als m den protestantischen Territorien, sofern diese eine Armee unterhielten. „In der Germania sacra und in den kleineren weltlichen Territorien floss ein großer Teil der Ressourcen in Architektur und Kunst im weitesten Sinne und in den Unterhalt der vielen kleinen Höfe. Davon lebte eine ungeheuer vielfältige Kulturlandschaft mit einer Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze“ (Nr. 142).

Burgdorf erinnerte auch daran, dass die Fürstbischöfe im zweiten Drittel des 18. Jhs. „kontemplative oder andere in die Kritik geratene Klöster zugunsten der Universitäten und des Schulwesens aufgehoben“ hätten. „Das reformierte Elementarschulwesen des Fürstbistums Münster diente als Vorbild für die umliegenden hohenzollerischen Territorien. ... Die Klöster, deren Äbte vor ihrer Wahl oft Professoren gewesen waren, unterhielten ein dichtes Netz höherer Schulen. Die nachfolgenden Flächenstaaten brauchten Jahrzehnte, bis sie diese Dichte erreichten" (Nr. 142).

Reinhard Bremer

 

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