willen den Ausgleich mit dem Kaiser suchen musste, und der Seitenwechsel oder Verrat des albertinischen Herzogs Moritz von Sachsen, der als evangelischer Fürst den Kaiser unterstützte und dafür mit der bisher ernestinischsächsischen Kurwürde belohnt wurde, lassen diese Vorgehensweise plausibel erscheinen. Daneben dürfen aber andere Fragestellungen nicht vergessen werden. Das evangelische Lager war nicht so homogen, wie es erscheint. Nicht alle evangelischen Stände gehörten zum Schmalkaldischen Bund, nicht alle Mitglieder des Bundes vertraten seine Politik. Die Doppelführung durch das ernestinische Sachsen und durch Hessen war von Spannungen geprägt; denn die sächsischen und hessischen Interessen in der Territorialpolitik, z.B. in Nordwestdeutschland, waren durchaus entgegengesetzt. Deshalb konnte es keine einheitliche evangelische Politik geben. Freilich traf dies auch auf das altgläubige Lager zu, wie sich an den Gegensätzen zwischen Bayern, Kaiser Karl V. und seinem Bruder, dem römischen König Ferdinand, zeigt. Die Doppelehe und ihre politischen Folgen Gemeinhin wird die Doppelehe Philipps als persönliche und politische Katastrophe verstanden. Die durchaus standesüblichen Beziehungen zu Frauen außerhalb der Ehe beunruhigten Philipps Gewissen so, dass er jahrelang der Feier des Abendmahles fern blieb. Durch sein selbständiges Bibellesen entdeckte er im Alten Testament, dass die Mehrehe als Lebensform der Patriarchen offensichtlich gottgefällig war. Dies schien ihm einen Ausweg zu bieten, doch die reichsrechtlich verbotene zweite Eheschließung wurde schnell publik und sorgte für einen öffentlichen Skandal. Die Reformatoren, die ihre Zustimmung nur in Form eines Beichtrates gegeben hatten, waren öffentlich bloßgestellt, der Landgraf war als Bigamist nach kaiserlichem Recht eigentlich der Todesstrafe verfallen und sollte einen hohen politischen Preis für die kaiserliche Duldung zahlen, die Familie Philipps war schließlich dauerhaft zerstritten und führte das Land in die Katastrophe der Erbteilung und Zersplitterung und damit zu der Jahrhunderte langen Zurückstufung Hessens gegenüber anderen Territorien. So sehr diese populäre Vorstellung einleuchtet, gilt es doch weiteres zu berücksichtigen. Philipps Außenpolitik war nicht erst nach dem Bekanntwerden der Doppelehe 1541, sondern bereits nach dem Württembergischen Feldzug 1534 defensiv ausgerichtet und auf Ausgleich mit Kaiser Karl V. und dessen Bruder, König Ferdinand, bedacht. Weitere militärische Aktionen hätten die hessischen Kräfte und Finanzen überstiegen. Die Kompromisse bei den Verhandlungen mit dem Kaiser Anfang der 40er Jahre dürfen nicht nur als Vorgeschichte des Schmalkaldischen Krieges gesehen werden, sondern beschreiben auch realistisch Philipps Möglichkeiten am Ende zweier Jahrzehnte, in denen die hessische Politik erfolgreich, aber eben auch glücklich gewesen war. So wird verständlich, dass die Zusage der Duldung der Doppelehe in den Verhandlungen mit dem Kaiser als gemeinhin angenommen gespielt hat. Demütigung und Bewahrung Als Kurfürst Johann Friedrich in Kriegsgefangenschaft geriet, war abzusehen, dass er seine Kurfürstenwürde verlieren, vielleicht sogar als Aufrührer mit der Todesstrafe bedroht sein würde. Tatsächlich ?elen mit der Kurwürde wesentliche Teile des ernestinischen Territoriums an den albertinischen Herzog Moritz von Sachsen; dennoch wurde der Verlierer des Krieges vom Kaiser geachtet und später geradezu freundschaftlich behandelt, schließlich auch freigelassen. Anders Landgraf Philipp, der erst nach Ende der Kampfhandlungen kapitulierte und entgegen ungewissen Zusagen auf unbestimmte Zeit in kaiserlicher Haft gehalten wurde. Karl V. hielt ihn persönlich für äußerst gefährlich und widerspenstig,