jedoch vermieden werden, weil das andere für den Reichstag fundamentale Problem – die Türkengefahr – sich im Laufe des Sommers immer mehr in den Vordergrund drängte. Die Türken vor Wien Anfang Mai war Süleyman mit etwa 350.000 Mann von Istanbul aufgebrochen, um auf dem Balkan weitere Gebiete zu erobern. Alles verlief so günstig für ihn, dass er am 26. September mit seinen Truppen vor Wien stand. Die Abwehr der muslimischen Osmanen war eine P?icht, die nicht nur auf die habsburgischen Herrscher zukam, sondern die vom gesamten Reich und eigentlich von allen christlichen Staaten zu bewältigen war. Es hätte also zu einer Koalition des Deutschen Reiches mit Frankreich, England, dem Kirchenstaat u. a. kommen müssen. Soweit war man sich in der Theorie einig; aber politische Gegensätze verhinderten in der Praxis diese Notwendigkeit. Im Reich war für die evangelischen Fürsten die Frage zu beantworten, ob sie bereit seien, an der Seite der katholischen Habsburger, Kaiser Karl und König Ferdinand, mit ihren Truppen am Türkenkrieg teilzunehmen. Darüber gab es unterschiedliche Meinungen. Philipp zeigte sich bereit, aber er stellte eine Bedingung: Die Habsburger müssten in der Konfessionsfrage den Protestanten entgegenkommen.3 Karl und Ferdinand ließen sich darauf nicht ein. Anders beurteilte Luther diese Frage. Bereits im Herbst 1528 hatte er eine Schrift mit dem Titel „Vom Krieg wider die Türken“ abgeschlossen. Sie lag aber erst im April 1529 im Druck vor4. Er widmete sie Landgraf Philipp als einem „berühmten und mächtigen Fürsten “. Er argumentierte dezidiert theologisch: Natürlich seien die 3Siehe dazu Brecht, Martin: Martin Luther. Zweiter Band: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 15211532. Stuttgart 1986. S. 349355 4In: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtaus gabe 30. Band Zweite Abteilung. Weimar 1909, (WA) 81148. Türken schlimme Feinde der Christenheit. Aber sie seien auch als eine Strafe Gottes zu betrachten. Behielte man das im Auge, so könne ein Krieg gegen Süleyman nur unter folgenden Bedingungen geführt werden: Nur überzeugte und bußfertige Christen sollten als Soldaten am Feldzug teilnehmen. Allein der Kaiser, das von Gott bestellte weltliche Oberhaupt – nicht der Papst sei berufen, das Heer anzuführen. Im Falle der Niederlage habe man den Türken als Oberherren anzuerkennen. Danach hätten die evangelischen Fürsten sich am Krieg gegen die Türken und insbesondere an der Verteidigung Wiens unbedingt beteiligen müssen. Aber sie entschieden sich anders.5 Landgraf Philipp begründete in einem Brief an Luther vom 9. Dezember 1529 rückblickend seine Haltung folgendermaßen: „Weill dann jzo vor handen und es di noth erfurdert, das von K. M. (Kaiserlicher Majestät) und Ihrem bruder (König Ferdinand) und andern hilff gegen den Turgken bei allen und sonderlich auch uns den obernenten Stenden gesucht werden wirdet. Nachdem dan unserer der Stende hilff nit di geringst sunder mit di hochste und vornembste ist. So bedencken wir wo wir uns einhellig endtschlussen und uns in kein hilff bewilligen oder begeben, Es versicherte uns dan zuvor K. M. den frieden und das sie uns bei dem Evangelio unbedranget pleiben lassen wolt.“6 Luther schrieb in seiner Antwort vom 16. Dezember, es komme vor allem auf Gottes Hilfe an, gab aber politisch Philipp Recht: „Das auch E.F.G. (Euer Fürstlichen Gnaden) begert,...das man dem Keyser ynn die hulffe widder den Turcken nicht willige, Es werde 5Siehe zu den Bedenken der protestantischen Für sten Leopold von Ranke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. In: Historische Meister werke Band 3, Teile 1 und 2. Hamburg 1957. S. 528 538. 6Abgedruckt in: Rommel, Dr. Chr. von (Hg.): UrkundenBand zur Geschichte Philipp’s des Großmüthigen. Nach bisher meistens ungedruck ten Originalien. Gießen 1830. S. 32f.