_38______________________________________________________________
sophischen Fakultät der Universität Jena
für Geschichte erregte er mit seiner Antrittsvorlesung
„Was heißt und zu welchem
Ende studiert man Universalgeschichte“
(26.5.1789) großes Aufsehen.
Sie gilt heute als eines der Gründungsdokumente
moderner Geschichtsschreibung.
In der Zeit zwischen 1787 und
1792 war Schiller vor allem als Historiker
tätig. In diesen fünf Jahren entstanden
seine zwei historiographischen Hauptschriften:
die „Geschichte des Abfalls der
vereinigten Niederlade von der spanischen
Regierung“ und die Bände der
„Geschichte des dreißigjährigen Krieges“.
Man kann also von einer „historischen
Phase“ Schillers sprechen. Als er
sich 1792 wieder ästhetischen und poetischen
Themen zuwandte, galt Schiller als
berühmter und viel gelesener Geschichtsschreiber.
Auf diese Weise war es Schiller
möglich, seine notorische Geldnot
entscheidend zu lindern.
Theatralisch ließen die Schüler Kerngedanken
der Antrittsvorlesung lebendig
werden, indem sie diese auf ihre eigene
Lebenswelt bezogen. In einem Streitgespräch
traten zwei Grundtypen gegeneinander
an: Der „Brodgelehrte“ paukt zusammenhanglos
Geschichtsdaten, betreibt
Faktenhuberei vereinzelter Ereignisse
und kann aufgrund seines nur auf
Nützlichkeit und Erfolg gerichteten,
kleinlichen und kleingeistigen Interesses
das „Aggregat“ der Teile nicht zu einem
„System“ zusammenfügen. Das gelingt
nur dem „Philosophischen Kopf“. Weil
es ihm nicht um den Nutzen, sondern um
den Sinn von Geschichte geht, nicht um
dem Erfolg, sondern um die historische
Richtigkeit, nicht um das Bruchstück,
sondern um die Zusammenhänge, kann er
die Ereignisse zu einem Ganzen zusammenfügen
und Vergangenheit für die
Gegenwart begreifbar machen.
Aber wie gelingt es, in der Geschichte
Wahrheit und Sinn zu erfassen? Um diese
Frage zu beantworten, warfen die
Schüler einen Blick zurück in die Geschichte
der Geschichtsschreibung. In
konzentriert vorgetragen Referaten stellten
sie dar, dass im 17./18. Jahrhundert
ein Wandel des Geschichtsverständnisses
und der Geschichtsschreibung stattfand.
Die an der antiken Rhetorik orientierte
historia magistra vitae versuchte bis
dahin Geschichten (im Plural!) mit dem
Ziel zu vermitteln, in der vergangene
Wirklichkeit Vorbilder für zu Gegenwart
zu finden. Dabei kam es auf die moralische
Dimension, nicht aber auf die historische
Wahrheit an. Ab dem 18. Jahrhundert
und der Erfahrung des politischen,
geistigen und gesellschaftlichen Wandels
der Aufklärungszeit entstand eine neue
Form der Geschichtsschreibung, die Geschichte
nicht nur überliefert, sondern
auch zu begreifen versucht. Geschichte
wird nunmehr (quellen-) kritisch analysiert
und am Maßstab der Vernunft beurteilt.
Damit treten Geschichte und Geschichtsschreibung
auseinander, Geschichte
wird zur wissenschaftlichen
Historie und zur Universitätsdisziplin.
Sie erhält eine bildende Funktion. Aus
den geschichtlichen Strukturen der Vergangenheit
kann der Historiker Konsequenzen
für die Gegenwart ziehen und
mögliche Entwürfe für die Zukunft
erstellen.
Geschichtsschreibung muss also von der
Gegenwart aus betrachtet werden, sie
muss gegenwärtige Fragen an die Vergangenheit
stellen. Schiller verwendet
dazu als „Enthusiast der Freiheit“ (Safranski)
das Modell des Fortschritts. Geschichtsschreibung
soll die Veredlung
der Menschheit darstellen, Beispiele der
Freiheit geben und so „historischen Sinn“
vorherige Seite  -  zurück  -  nächste Seite