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Aus Stadt und Land
König Lustik!? Jerome Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen
Hessische Landesausstellung 2008
Die Museumslandschaft Hessen Kassel erinnert im Frühjahr 2008 mit einer großen kulturhistorischen Ausstellung an eines der spannendsten Kapitel der deutschen Geschichte im Übergang zur Moderne: das Königreich Westphalen. Dieser Modellstaat war eine Schöpfung von Napoleons Gnaden. Der französische Kaiser fügte 1807 HessenKassel sowie ehemalige preußische, hannoversche und braunschweigische Gebiete zu einem großen Territorium zusammen. In die Haupt- und Residenzstadt Kassel entsandte er seinen jüngsten Bruder Jéröme. Dessen Herrschaftsgebiet reichte zeitweise von Marburg bis Stade und von Osnabrück bis Halle. Es berührte sieben der heutigen Bundesländer: neben Hessen auch Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Noch bevor Jéröme in seinem Königreich angekommen war, hatte Napoleon durch die Plünderung der kurfürstlichen Sammlungen den Zorn der Hessen erregt. Unersetzliche Meisterwerke ließ er nach Paris schaffen, darunter Gemälde von Rembrandt und Rubens sowie einzigartige antike Statuen. Nach dem Sturz Napoleons sollten Jacob Grimm und andere Experten den kurfürstlichen Besitz zurückholen, sie fanden jedoch nicht mehr alle Werke vor. Erstmals nach 200 Jahren kehren verlorene Spitzenwerke als Leihgaben für die Ausstellung nach Kassel zurück, darunter der berühmte TageszeitenZyklus von Claude Lorrain aus der Eremitage in St. Petersburg.
Napoleon arrangierte 1807 die Heirat Jérömes mit der württembergischen Königstochter Katharina. Die Verbindung mit einer deutschen Prinzessin sollte das Ansehen des jungen Königs stärken. Obwohl Katharina von den Affä
ren Jérömms wußte, blieb sie ihrem Mann treu. Die Ausstellung beleuchtet diese komplizierte Beziehung mit Liebesbriefen, Schmuckstücken und anderen privaten Objekten. Um seinen Rang als Herrscher zu betonen, gab Jéröme prachtvolle Staatsporträts von sich und seiner Gattin in Auftrag. Die bedeutendsten Maler Frankreichs waren für ihn tätig.
Aus Paris importierte Jéröme den EmpireStil, der den Herrschaftsanspruch des Königs zum Ausdruck brachte und zugleich das Prinzip des rational organisierten Staatsaufbaus verkörperte. Bei den führenden Pariser Manufakturen bestellte Jéröme prächtige Möbel und kostbares Tafelsilber. Auch in baulicher Hinsicht wollte er seine Hauptstadt verschönern. Zu den wenigen realisierten Projekten zählt das von Leo von Klenze entworfene Hoftheater. Kassel erlebte in der westphälischen Zeit einen enormen kulturel-
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