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Aus Stadt und Land
den. Für eine moderne, didaktisch ansprechende Präsentation wäre eine solche Situation schlicht unbefriedigend, so dass eine andere Herangehensweise gewählt wurde: Das neu eingerichtete Landesmuseum wird eher eine kulturhistorische Ausrichtung verfolgen. Vor allem die Menschen und ihre Lebensbedingungen werden im Vordergrund stehen. Dabei werden die Dauerausstellungsbereiche nicht wie bisher unverbunden nebeneinander stehen, sondern es wird ausdrücklich eine Vernetzung der verschiedenen Sammlungen angestrebt.
Allerdings erweist sich die angestrebte Vernetzung der drei sehr unterschiedlichen Sammlungsbereiche, Vor- und Frühgeschichte, Volkskunde und Angewandte Kunst, durchaus nicht als unproblematisch. Fragestellungen und Herangehensweisen der drei wissenschaftlichen Disziplinen sind eben teilweise grundverschieden. Trotzdem ist es gelungen, ein stimmiges Konzept für das Hessische Landesmuseum auszuarbeiten, das diesen Schwierigkeiten Rechnung trägt.
Im Erdgeschoss, im Bereich der vor- und frühgeschichtlichen Ausstellung, wird vor allem die technologische Entwicklung der prähistorischen Bewohner Nordhessens im Mittelpunkt stehen. Allein schon aufgrund der Überlieferungsbedingungen dominiert hier die Frage nach der Herausbildung und Verbesserung grundlegender Kulturtechniken, von der Herstellung der ersten Steinwerkzeuge über die Sesshaftigkeit bis hin zur Eisenmetallurgie. Dagegen wird in den beiden oberen Stockwerken die Entfaltung der verschiedensten kulturellen Bereiche im Zentrum stehen. Da das Wissen um die frühe Menschheitsgeschichte in der Gesellschaft kaum verankert scheint, ist im Erdgeschoss eine stärker chronologische Gliederung als Hilfsmittel für den Besucher unverzichtbar. In den einzelnen Bereichen werden jedoch vor allem charakteristische Neuerungen und Veränderungen des jeweiligen Zeitabschnittes im Vordergrund stehen. Auf diese Weise kann schon im Bereich der Vor- und Frühgeschichte das Gestaltungsprinzip der mehr thematisch gegliederten oberen Stockwerke aufgegriffen werden, ohne dem Be
sucher den Zeitstrahl als Orientierungshilfe zu entziehen.
Im 1. und 2. Obergeschoss werden kulturelle, künstlerische und gesellschaftliche Entwicklungen im Vordergrund stehen, die die wesentlichen, bis heute essentiellen Teilbereiche des täglichen Lebens aufgreifen. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf Nordhessen. Angestrebt wird eine enge Verknüpfung der Sammlungen Volkskunde und Angewandte Kunst. Wo es sich thematisch anbietet, sollen auch weitere Sammlungsgebiete der Museumslandschaft Hessen Kassel durch einzelne Objekte oder Objektgruppen mit einbezogen werden, um so die zahlreichen Querbeziehungen zwischen den einzelnen Sammlungen sichtbar zu machen.
Der Rundgang beginnt im 1. Obergeschoss mit dem Bereich der Frömmigkeit und der Entfaltung der christlichen Kunst. Damit wird zugleich auch eine Oberleitung zu dem noch im Erdgeschoss präsentierten Frühmittelalter geschaffen. Weitere Themen berühren viele wesentliche Gesichtspunkte des menschlichen Daseins: von der Wohnkultur im Wandel der Zeiten, über die wechselnden Ernährungsgewohnheiten und die Veränderung von Mode und Tracht, bis hin zur Umgestaltung der Arbeitswelt und der Frage nach der Gestaltung der Freizeit. Damit wird die Kulturgeschichte in Themen gefasst, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben und die in den letzten Jahrzehnten starken Veränderungen unterliegen. Daher sollen auch einige Themen bis in die jüngste Vergangenheit verfolgt werden und so die Besucher zu Gedanken über zukünftige Entwicklungen anregen. Für alle Themenkomplexe gilt, dass sie auch in unserer heutigen Zeit eine konkrete Bedeutung haben und so die Besucher direkt ansprechen, ist es doch die erklärte Zielstellung der Neueinrichtung, das Hessische Landesmuseum wieder zu einem Kristallisationspunkt in der Darstellung der Kulturgeschichte des mittel- und nordhessischen Raumes zu entwickeln.
Irina Gönner
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