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Aus Stadt und Land
fand. Die Bauform der westfälischen Halle könnte auch für flexible Funktionen (weltliche und rechtliche Zuständigkeitsbereiche) gute Dienste geleistet haben.
Nach der Mittagspause war Gelegenheit zur Besichtigung der Kirche gegeben, wobei die Referenten sowie der Kultur- und Musikwissenschaftler Adolf Lang (AhnatalWeimar) und der Architekturhistoriker Gerd Fenner (beide auch Moderatoren) zu fachkundigem Gespräch zur Verfügung standen.
Der Hauptvortrag des Nachmittags von PD Dr. habil. Harald Wolter-von dem Knesebeck (TU Dresden) "Die Zierenberger Malereien: das religiöse Bild im Raum. Programm, Ikonographie, Vergleiche" untersuchte das Bildprogramm in Bezug zum Raum auf ihre spezifische liturgische und gemeindliche Funktion: „Die Wandmalereien des Chores, welche die Sakralität der heiligen Handlung betonen, wechseln mit den eher auf die Bedürfnisse der Gemeinde bezogenen Darstellungen im Langhaus, die unterweisend und erbauend sind." Unter Einbeziehung weiträumiger ikonographischer Bezüge gelangte er zu neuen bisher noch nicht erkannten Deutungen.
Das Thema des Vortrags von Pfarrer i.R. Wilfried Wicke, dem Initiator der baulichen und malerischen Restaurierungsmaßnahmen in Zierenberg seit den 80er Jahren, der im Verlaufe des Symposiums mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet wurde, lautete: „Innere Wallfahrt des Glaubens - Versuch einer frömmigkeitstheologischen Deutung des Bildprogramms im Kirchenschiff'. In seinem Vortrag ging er auf die große religiöse, stark von Laien geprägte Erneuerungsbewegung, die „devotio moderna", des späten Mittelalters ein und deutete die Malereien anhand der berühmten theologischen Schrift „Nachfolge Christi" (1441) von Thomas von Kempen.
Der „Rolle der Druckgraphik als Vorbild für die Wandmalereien in Zierenberg" widmete sich Vera Leuschner. Mit der Erfindung des Holzschnitts um 1400 und des Kupfer
stichs wenig später kommt es zur „technischen Reproduzierbarkeit" von Bildern, in der Folge zu einer erstaunlichen Mobilität von Bildmotiven und -gestaltungen. Aufgrund dieser neuen Medien war es dem Maler in Zierenberg möglich, eine ikonographisch so seltene Darstellung wie den Mose mit den Geboten und den 10 ägyptischen Plagen zu malen, indem er einen Einblattholzschnitt von 1465/80 kopierte; dem Maler der Passionsfolge des nördlichen Seitenschiffes, indem er eine Kupferstichfolge (um 1480) des in Bocholt tätigen Israhel van Meckenem zum Vorbild nahm. Die graphischen Vorlagen erlauben es uns, auch die nur noch fragmentarisch erhaltenen Bilder zuverlässig zu rekonstruieren.
Den Abendvortrag hielt der Landeskonservator von Hessen, Prof. Dr. Gerd Weiß (Wiesbaden), zum Thema: „Gotische Kirchenausmalungen in Nordhessen".
Ausgehend von unserer heutigen puristischen Vorstellung von romanischen und gotischen Kirchenräumen, von ihrer Steinsichtigkeit, wies der Vortragende nach, dass wir uns auch gotische Kathedralen ebenso wie kleinere gotische Kirchen stark farbig, um nicht zu sagen „kunterbunt" vorstellen müssen. Neben struktiver (Architektur-)Malerei stellte Weiß die darstellende Raumausmalung der Gotik am Beispiel der Friedberger Kirche vor. Die schlechte materielle Überlieferung erschwert jedoch die Kenntnis und Erforschung der (gotischen) Wandmalerei. Kaum eine Kunstgattung ist größeren Gefährdungen ausgesetzt als die Wandmalerei, zumal nördlich der Alpen vorwiegend die gegenüber der Freskomalerei sehr viel anfälligere KalkSecco-Malerei angewendet wurde. Schadensbilder wie Abpudern der Farbe, Aufstellen der Malschichten in Schollen etc. sind zu beobachten.
Dennoch haben sich in Nordhessen eine große Anzahl ausgemalter Kapellen und Kirchen erhalten, die heute - nach den oft recht brachial vorgenommenen Freilegungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts - nach sehr