Den letzten Landtag unter freiem Himmel hielt Wilhelm Vl. am 15. Dezember 1654 vor dem Mader Holz. Der Landgraf war persönlich anwesend. Angesichts eines seit Jahren schwelenden Rechtsstreits zwischen Ritterschaft und Landgrafen vor den Reichsgerichten sollte die inszenierte archaische Versammlung auf freiem Felde die patriotische Verbundenheit von Landesherrn und Ständen in der Stunde der Gefahr ungeachtet aller Differenzen evozieren. Das Wetter spielte allerdings nicht mit. Der Landtag musste abgebrochen und am folgenden Tage in der Stadt Gudensberg fortgesetzt werden. Damit endeten die archaischen Inszenierungen von Landtagen auf freiem Felde, die ihre Funktion, in plebiszitärer Weise die patriotische Verbundenheit zwischen Landständen und Landesherrn in kritischen politischen Situationen zu stimulieren, nicht erfüllten.
Die Tagung im Saale hatte ungeahnte Folgen. Die Landtage dauerten immer länger: erst mehrere Tage, dann mehrere Wochen, dann mehrere Monate und heute vier Jahre. Dass der „Land-Tag" im Wortsinne nur einen Tag dauert, ist ebenso in Vergessenheit geraten wie die Tatsache, dass er je unter freiem Himmel stattgefunden hat.
Quellen zum Landtag von 1509: Hans Glagau (Hg.), Hessische Landtagsakten, 1. Band: 1508-1521, Marburg 1901. - Quellen zu den späteren Landtagen: Günter Hollenberg (Hg.), Hessische Landtagsabschiede 1526-1603, Marburg 1994; ders. (Hg.), Hessische Landtagsabschiede 16051647, Marburg 2007; ders. (Hg.), Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1649-1798, Marburg 1989. - Sämtlich erschienen in der Reihe „Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen".
Günter Hollenberg, ZV Marburg
Museen im Vereinsgebiet (2): Das Hinterlandmuseum Schloss Biedenkopf
Ein Orts- oder Dorfmuseum in jedem Dorf - dies forderte bereits 1904 der damals in Bottenhorn tätige Pfarrer Karl Spieß. Und er traf mit seiner Begeisterung vor allem für Geschichte und Volkskunde auf Gleichgesinnte: Zwei Jahre später, kurz nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe der „Mitteilungen aus Geschichte und Heimatkunde des Kreises Biedenkopf' (seit 1922 „Hinterländer Geschichtsblätter"), gründeten acht historisch interessierte Bürger um Karl Spieß den Geschichtsverein für den Kreis Biedenkopf. Offiziell konstituierte er sich 1907 mit bereits 83 Mitgliedern. Eines der Hauptziele des Vereins war die „Anlegung einer Altertums- und Trachtensammlung", die ihren Standort von Anfang an im Schloss Biedenkopf haben sollte, denn: „Die prächtigen Räume, die zur Zeit leer stehen, eignen sich vortrefflich hierzu..." so die Begründung. Der Besitzer des Schlosses war damals die „Königliche (Preußische) Domänenverwaltung", die im Erdgeschoss des Palas zwei Räume zur Verfügung stellte. Bereits zwei Jahre nach der Eröffnung am 25. September 1908 wurde das so genannte „Trachtenmuseum" um die Räume des ersten Stockwerks erweitert.
Kutsche der Kaiserlichen Post (Baujahr 1886) im Eingangsbereich des Museums Foto: Hinterlandmuseum Der Schornsteinfegermeister und Antiquitätenhändler Karl Pfeil 1. übernahm das Amt des Konservators. Aus seiner privaten Sammlung von „Altertümern" stammt ein Großteil des Objektbestandes aus der Frühzeit des Museums. Sein Sohn Karl Pfeil jun. folgte 1920 der Profession seines Vaters und übernahm die museale Betreuung der Exponate. Über den Zweck der Ausstellung in den Räumen des Schlosses hatte Pfarrer Spieß genaue Vorstellungen. Die Besucher des Museums sollten
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